Lockdown, Tag 183

Ein halbes Jahr Lockdown ist rum. Länger, als irgendjemand hier je geglaubt hätte. Immerhin werden nächste Woche die Beschränkungen für internationale Flugreisen aufgehoben, also habe ich vorgestern einen Flug gebucht,  und werde ab übernächster Wochen einen Monat in Deutschland rumhängen, bevor die zweite Welle in Europa erst dafür sorgt, daß ich nicht mehr hinkomme. Schätze, nach einem Jahr und allem, was in der Zwischenzeit so passiert ist, wird es dringend Zeit, hier mal für eine Weile die Tür abzuschließen, und was anderes zu sehen.

Hier ist Winter-Ausklang angesagt. Das Wetter kapriolt von einem Tag zum nächsten zwischen 17 und 40°C und wieder zurück, und ist nur begrenzt angenehm. Gestern saß ich bei über 39°C den größten Teil des Tages im Cockpit und habe höchstens Kleinkram gebastelt und ansonsten so vor mich hingeschwitzt, heute sind gerade mal 19°C und Nieselregen. Bloss wech hier …

Nebenbei bemerkt, bin ich heilfroh, tatsächlich im Wasser zu sein, und nicht auf meinem Landstellplatz noch einen dritten Sommer an Land erleben muß. Der Unterschied, wenn man vom Steg einfach nur auf den Platz 100m entfernt geht, ist echt frappierend: Kein Lüftchen regt sich, obwohl am Außensteg immer noch eine 8-12kts Brise zu spüren ist, und die gefühlte Temperatur ist sicher 5-8 Grad höher als auf dem Wasser.

Dafür ist die Kohlenstaub-Verseuchung hier deutlich höher: Das hier

ist mein Cockpit-Tisch einen Tag nach dem Abkärchern und nach einer darauf folgenden Nacht Südwest mit Nieselregen. Ich hab allmählich echt keinen Bock mehr, hier alle drei Tage mit dem Kärcher durchzugehen :-( Simon hat sich zwar nach seiner TB-Diagnose und Abmeldung zur Therapie vor ein paar  Monaten noch nicht wieder blicken lassen, aber ich nehme an, wenn er die überlebt hat, wird er wohl auch arbeiten wollen bzw. müssen.   Mal sehen, ob ich ihn telefonisch erwischen kann …

Von Jaques auch diese Woche kein Wort und keine Sichtung. Gut, vorgestern war Feiertag und gestern Brückentag, aber Mittwoch paßte das Wetter und wir hätten endlich fertig werden können. Nun aber ganz bestimmt am Montag, wie er gestern erklärte. Und auch das geht mir mittlerweile sowas von am … vorbei… Wenn er die kommende Woche wieder nicht auftaucht, schicke ich Sebastian von der Axiom in den Mast hoch, um die Netzwerk-Kabel zu vercrimpen, oben noch ein paar neue Fallen in die bislang unbelegten Rollen einzuziehen, und den Radar-Reflektor anzunieten. Der hat sich bereit erklärt, und allmählich hat Jaques meine Geduld nun wahrlich lange genug überstrapaziert.

Von der Angelfront gibt es wenig neues zu berichten: Immer noch kein Garrick, und Cobs beissen auch nicht mehr, obwohl ich sie hin und wieder mit viel Getöse an der Oberfläche rauben sehe und die Razorbellies wieder da sind. Dafür fiel mir heute morgen auf, daß mein gestern Abend ausgesetzter Köderfisch seine Kreise hinterm Boot deutlich zügiger zog, als die das normalerweise tun. Die Schnur war schlapp, die Pose schwamm obenauf, sah ganz normal aus …

Ohne nennenswerten Widerstand ließ sich die Schnur einholen, und am Ende hing wieder mal einer dieser garstig aussehenden Walla Wallas. Hatte vermutlich Magenschmerzen, zumindest hatte er den 5.0er Haken am Stahlvorfach dermaßen tief verschluckt, daß ich ihn nicht unbeschadet wieder rausbekam und ihn aufschneiden mußte. (Die haben übrigens eine angesichts der Körpermasse völlig unerwartet hohe Beißkraft, die Viecher! Ich war heilfroh, eine stabile Hakenlösezange und einen Haltegrip zu haben. Mit den bloße Fingern würde ich so einem jedenfalls nicht im Hals rumfummeln:mrgreen:)

Walla Walla. Etwas über einen Meter lang.

Wo er nun schon mal aufgeschnitten vor mir lag: Offenbar ernähren die sich üblicherweise von kleinen Squid (Tintenfischen). Warum so ein Viech versucht, sich eine 30cm lange Sardine einzuverleiben, bleibt unklar. Ich war versucht, ihn zu filetieren, habe das dann auch getan und war überrascht, daß diese Filets deutlich mehr Volumen hatten als erwartet. Habe diese dann allerdings doch nur auf einen anderen Haken gepiekt und wieder auf 5m Tiefe versenkt. Ohne zählbaren Erfolg.

Was ist sonst noch passiert diese Woche? Tja, nicht ganz viel. Entweder war es zu warm, zu windig, oder ich war schlicht unmotiviert, irgendwas neues anzufangen. Da einzig Zählbare ist ein fast ebener Zwischenboden unter der Achterkoje an Steuerbord aus dem Rest meiner neulich erstandenen Sperrholzplatte. Da passen jetzt drei meiner Kisten  problemlos rein und  dazwischen und oben drüber  ist noch Platz für jede Menge Material wie Schläuche, Kabel usw.

Sowas werde ich wohl für die Backbord-Koje auch noch bauen, wenn sie in dem Laden noch eine weitere Platte von dem Holz auftreiben können.

Zum Titelbild: Shahedas Liebling ist wieder da! Ich hatte schon die leise Befürchtung gehabt, er wäre in der Zwischenzeit womöglich verhungert, weil er die letzten paar Wochen schlicht verschwunden war. Er tunkt zwar die lange Nase oft und gern ins Hafenbecken, stellt sich dabei aber scheinbar ziemlich blöd an und ich habe nie gesehen, daß er mal tatsächlich irgend etwas erbeutet hätte, obwohl allein hier im Hafenbecken vermutlich zigtausende von Sardinen rumschwimmen. Ist wahrscheinlich ein reiner Flachwasser-Vogel :-)

Irgendwelche Essensbilder von dieser Woche gibt’s nicht. Ich hatte nicht die geringste Lust, irgend etwas zu kochen, und so blieb die Küche bis auf ein paar gebratene Eier mit Bacon heute morgen zum Frühstück kalt. Dafür hab ich drei Kilo wieder abgenommen, ist ja auch was.