Endlich! Eintausendsiebenhundertfünfundachtzig Tage, nachdem ich diese Kiste gekauft, und immerhin fünfhundertvierundvierzig, nachdem ich hier eingezogen bin, schwimmt der Kahn endlich und ich habe quasi wenigstens schonmal die Startlinie meiner geplanten Unternehmung erreicht. Der ursprüngliche Zeitplan für den Refit seit Einzug wurde somit um kaum das fünffache überschritten, und zeitweise hatte ich so meine Zweifel, ob das überhaupt noch irgendwann was wird. Immerhin, im Vergleich zum allseits bekannten und beliebten Flughafenbau, bin ich schon im Startblock. Nicht, daß ich hier nun gleich lossprinten würde, es ist noch genügend Kram zu erledigen, aber ich sehe Licht.
Ich muß zugeben, dieser Tag hat mich Nerven gekostet. Schätze, ich war seit Jahren nicht mehr so nervös wie heute morgen. Ganz besonders, nachdem Jannies Jungs den Kahn auf den Trailer gehoben hatten, und meine mehrfach in mühsamer Fummelarbeit geflickten Wassertanks auf einmal 2 Liter pro Minute in die Bilge verströmten. Ganz offensichtlich ist die Verwindungssteifigkeit dieser Deans doch nicht so hoch, wie angenommen. Und da die Wassertanks letzten Endes nichts anderes sind als eine Unterteilung der Bilge im Kiel durch einlaminierte Schotten, drängt sich der Verdacht auf, daß diese Nähte wohl beim Anheben wieder abgerissen sind, weil sich die ganze Kiste verwindet. Vermutlich ist es wohl doch ein Unterschied, ob der Kahn schwimmt, oder mit dem gesamten Gewicht auf den Kielen steht. Egal, das ist jetzt zwar ärgerlich, aber nun ist er in der Position, in der er sich mit etwas Glück für die nächsten Jahre befinden wird, also werden wir nächste Woche nochmal von vorn anfangen, die Schotten blank schleifen, und dann neue Glasgewebeschichten aufbringen.
Die Einwasserung selbst war relativ unspektakulär. Thelxinoe stand eine halbe Stunde auf der Sliprampe, und nachdem dann kein Wasser-Einbruch von außen feststellbar war, ging es auf die erste Tour: Knapp 100m bis zum Liegeplatz an Steg C18, Außenseite. John hatte sich angeboten mitzufahren, und da ich ansonsten mit Simon allein gewesen wäre und keine Ahnung hatte, wie der sich wohl beim Ausbringen von Festmachern anstellen würde, war ich dankbar für die angebotene Hilfe.
Wie mir natürlich erst beim losfahren auffiel, hat Andries bei der Antriebsmodifikation neulich wohl das Gestänge im Antrieb wieder in den Originalzustand versetzt, das wir extra vorher um 180° gedreht hatten, weil ich nur einen linksdrehenden, statt des vorher vorhandenen rechtsdrehenden Propellers gefunden hatte und somit fährt der Kahn aktuell rückwärts, wenn man den Gashebel nach vorn schiebt. Nicht wirklich wild, man muß halt nur aufpassen, wenn man irgendwo aufstoppen muß.
Die Ruderwirkung bei Rückwärtsfahrt ist übrigens ungefähr genau so, wie ich mir das vorgestellt hatte: Gleich Null. Was bin ich doch froh, daß ich eine Lenkung für den Z-Antrieb gebastelt hatte. Das ist zwar auch nicht das Optimum, zwei Motoren wären definitiv leichter zu manövrieren, macht die Manöver aber erträglich. Mit ein bischen Übung (und einer separaten Ruderlageanzeige dafür) wird das wohl noch.
Tja. Es schwimmt. Wer hätte das gedacht Noch’n paar Segel antüddeln, bischen Kleinkram einbauen und anschließen, tanken und ab dafür. Oder so. Hier im Indischen Ozean ist allerdings immer noch Typhoon-Saison bis Mai, und für den Trip über den Atlantic bin ich inzwischen zu spät für diese Saison. Aber Ostern findet das jährlich vom Club veranstaltete Inhaca-Race statt, eine Funregatta von der Insel Inhaca Island vor der Küste Mozambiques zurück hierher nach Richards Bay. Da werd‘ ich mich wohl anmelden, in der frohen Erwartung, bis dahin wenigstens segelklar zu sein und die ersten Probeschläge hinter mir zu haben.
Momentan genieße ich jedenfalls erstmal den Umstand, von dem Landstellplatz verschwunden, und die Fliegen los zu sein. Inzwischen regnet und windet es mit 20kts, wir schaukeln ganz sacht am Steg vor uns hin, und ich habe das erste Mal seit meinem Einzug vor über eineinhalb Jahren ein benutzbares Klo an Bord und muß nicht mehr 300, bzw. jetzt dann 600m laufen. Wenn das kein Grund zum Feiern ist
Schampus war irgendwie nie mein Ding, hab ich nichtmal an Bord, und eigentlich hatte ich gesagt, wenn ich nach vier Stunden immer noch nicht abgesoffen bin, mache ich mir eine Dose Windhouk Draught auf, setze mich ganz ruhig ins Cockpit und genieße den Sonnenuntergang, aber da ich heute morgen notgedrungen die restliche Handvoll Cornflakes frühstücken mußte, weil mein Brot über Nacht einen leicht grünlichen Einschlag erhalten hatte und ansonsten nur noch zwei halbgefrorene Bananen an Bord waren, sah ich mich genöigt ein bischen was einzukaufen, und habe in dem Zuge auch eine Flasche 2017er Chardonnay erstanden. Und so gab es als erste Mahlzeit auf dem Wasser totes Huhn mit Ciabata und Weißwein, derweil der Sonnenuntergang zur Musik von Oscar Peterson hinter einer fetten Wolkenschicht stattfand und das Boot sacht vor sich hin schwojte. Deswegen bin ich hier
Jannie hatte es sich übrigens nicht nehmen lassen, mir die Rechnung für’s Einwassern schon vorab zu überreichen und auch auf vorheriger Bezahlung zu bestehen. Meine Argumentation, daß er mir für diese Umsetzaktion neulich, die auf seinen ausdrücklichen Wunsch geschah und bei der vorher nie die Rede davon gewesen war, daß ICH die bezahlen sollte, ja auch schon den halben Slip-Preis berechnet hatte, verlief dann auch einigermaßen im Sande. Somit hat mich diese ganze Slipperei inzwischen rund 9.500R gekostet. Weißgott genug für ein dritte-Welt-Land. Vermutlich habe ich seine Miete für diesen Monat bezahlt…
Meine Playlist ist inzwischen bei „Oh happy Day“ angekommen, mein Glas Wein ist gleich alle, und ich werde heute wohl früh in der Kiste verschwinden, da in einer dreiviertel Stunde eh Loadshedding angesagt ist (Ja, es gibt tatsächlich Zeitpläne zum Downloaden dafür, denen man entnehmen kann, wann welcher Stadtteil abgeschaltet wird).
Nicht, ohne alle paar Stunden mal aus dem Fenster zu sehen, ob draußen schon irgendwelche Fische zu sehen sind
Herzlichen Glückwunsch und allzeit eine Handbreit…⛵️⛵️
Danke Peter,
zumindest hier ist das mit der „Handbreit“ unkritisch. Derzeit sind, je nach Tide, zwischen 5.70 und 7m unter mir. Und da ich hier keinen Meter weit sehen kann (zumindest unterwasser), muß ich künftig wohl etwas mehr aufpassen, damit mit kein Werkzeug o.ä. über Bord geht