Zumindest was das Wetter angeht, sieht es hier momentan eher trübe aus. Nachdem es monatelang überhaupt nicht geregnet hatte, scheint der südafrikanische Winter jetzt nochmal alles zu geben und seit ein paar Tagen, und erstmals seit wir hier wohnen, liegen die Tagestemperaturen bei gerade noch 11°C und es nieselt konstant vor sich hin. Wahrlich kein Wetter, um draußen irgendwas sinnvolles unternehmen zu wollen. Wenigstens muß der Garten nicht gegossen werden. Man muß es ja positiv sehen …
Überhaupt boten die vergangenen Monate nicht unbedingt übermäßig viel Gelegenheit zur Freude. Im Januar waren wir ja noch für eigentlich knapp zwei Wochen nach Deutschland geflogen, um den 97ten Geburtstag meiner Mutter zu zelebrieren, was bekanntermaßen damit endete, daß wir uns beide mit Covid infizierten und für eine Woche im Krankenhaus landeten, womit unsere gesamte Planung über den Haufen geworfen und der Grund war, wieso wir dann erst fünf Wochen später wieder nach Durban zurückflogen als geplant. Die Nachwirkungen davon spüren wir bis heute noch und so richtig aktiv oder motiviert ist gerade keiner von uns beiden.
Ende Juli ist meine Mutter nun gestorben, und da Lou’s für sechs Monate genehmigtes Visum natürlich zwei Tage später abgelaufen wäre, und die Beantragung eines neuen Visums deutlich zu lange gedauert hätte um rechtzeitig vor Ort zu sein, bin ich allein nach Deutschland geflogen, um meine Mutter zu beerdigen, mich mit Vertrags- und Steuerkram zu beschäftigen und, wo ich nun schon mal da war, kurzfristig auch noch einen Termin zu meiner routinemäßigen Blutuntersuchung beim Onkologen mit einzuschieben.
Einen Tag später riefen sie mich wegen der Ergebnisse an, und ab diesem Zeitpunkt hatte sich der Tenor meines ohnehin schon nicht gerade als Urlaub gedachten Aufenthaltes noch einmal um eine Stufe weiter in Richtung „Sachen, die wirklich keiner braucht“ verschoben.
Tja, was soll ich sagen? Im Januar sahen meine Blutwerte noch ok aus, leicht erhöhter WBC-Wert zwar, aber noch weit entfernt von besorgniserregend. In dem halben Jahr seither, hatten sie sich in eine Größenordnung weiterentwickelt, die bei 150% dessen lag, was mich 2018 zu meiner ersten Chemotherapie veranlasst hatte. Merde …
Keine Ahnung, ob diese Covid-Infektion am Jahresanfang dabei nun auch eine maßgebliche Rolle gespielt hat; hilfreich war sie jedenfalls sicher nicht. Dass die CLL irgendwann wieder aus dem dunklen Loch an der Grenze zur Nachweisbarkeit hervorgekrochen kommt, in das wir sie mit der Chemo 2018 zurückgedrängt hatten, war zu erwarten gewesen. Allerdings hatte ich gehofft, daß mich das noch eine Weile verschont und so kam das jetzt ein wenig überraschend und höchst unwillkommen.
Nachdem ich mit dem Onkologen durchgekakelt hatte wie jetzt weiter vorzugehen wäre, habe ich mich entschlossen, die für eine neuerliche ambulante Therapie angesetzten sechs Monate nicht in Deutschland zu verbringen, sondern das stattdessen hier in Südafrika durchzuziehen. Nicht nur, daß ich in Deutschland keine Wohnung mehr habe und nicht die geringste Lust verspüre, mich für ein halbes Jahr irgendwo einzumieten und ggf. Lou alleine hier im Haus sitzen, oder alternativ das Haus für mindestens sechs Monate leer stehen zu lassen wenn sie mich begleiten würde, bin ich in Deutschland auch nicht mehr krankenversichert.
Als ich 2018 nach Südafrika geflogen bin, geschah das ja mit dem Plan, das Boot fertig zu machen, und von hier weg zu segeln, also hatte ich eine weltweit gültige Auslands-Krankenversicherung abgeschlossen. Nachdem im Antragsformular nun schon explizit nach Vorerkrankungen gefragt wurde, konnte ich denen allerdings schlecht eine chronische Leukämie verschweigen und habe das auch nicht getan. Und bekannte Vorerkrankungen sind in den üblichen Versicherungs-Bedingungen nun mal ausgeschlossen.
Klar, ich zahle immer noch einen monatlichen Anwartschaftsbeitrag zur gesetzlichen KV, der zur Zeit um einiges höher ist als der Beitrag für meine Auslands-KV, nur für den (inzwischen einigermaßen unwahrscheinlichen) Fall, daß ich jemals wieder nach Deutschland zurückkehre und mich da wieder in der GKV versichern muß oder will. Im absoluten Notfall wäre eine kurzfristige Rücksiedelung und Wiederaufnahme der dortigen KV-Mitgliedschaft also eine Option gewesen.
Um mal rauszufinden, ob diese notwendige Behandlung nun wohl überhaupt von irgendeiner Krankenversicherung übernommen würde oder ich das allein wuppen müßte, habe ich mich nach meiner Rückkehr dann mal ein wenig belesen und festgestellt:
Die staatliche Gesundheitsfürsorge ist hierzulande tatsächlich deutlich umfassender, als das in Deutschland der Fall ist. Angesichts der Tatsache, daß der Großteil der Bevölkerung sich eine KV gar nicht leisten könnte, irgendwie aber auch logisch.
Also bin ich zu meinem hiesigen Hausarzt geterbelt, habe ihm die Situation dargelegt, seine Frage nach vorhandener medical aid wahrheitsgetreu mit „Nein“ beantwortet, und eine halbe Stunde später hatte ich seine Überweisung an eines der „Level 2 public hospitals“ und einen Termin für erste Untersuchungen, und auf meine Frage „Was kostet mich das denn wohl?“ auch von ihm die Aussage: „Nothing. Public healthcare and treatment is free“.
So weit, so gut, erstes Problem gelöst. Die nächsten zwei Tage habe ich somit im King George V Hospital mit vorbereitenden weiteren Bluttests verbracht, und wurde von dort dann an die Haematologie des weitergehend spezialisierten King Edward VIII Hospital weitergereicht, wo in der folgenden Woche von Rückenmarks- und Lymphknoten-Biopsien über einen nuclearmedizinischen Scan alle möglichen weiteren Tests durchgeführt wurden. Abgesehen davon, daß das alles deutlich schmerzhafter war, weit weniger „microinvasiv“ durchgeführt wurde als von mir erwartet und ich mich danach zwei Wochen lang kaum anrühren konnte, war das soweit ok.
Im Grunde genommen genau das Procedere, das ich sechs Jahre früher auch in Deutschland schonmal absolviert habe. In zwei Wochen habe ich einen neuen Termin bei der Haematologin im King Edward um die Ergebnisse zu besprechen, und dann sehen wir, wie es weitergeht. Wer mag, darf mir gerne die Daumen drücken, daß sie bei ihren Analysen nicht noch entdecken, daß diese CLL womöglich in irgend eine komische Richtung weitermutiert ist …
Fazit bis hierher: Scheint zu funktionieren. Natürlich ist nix perfekt, das King Edward (im Zuge der Re-Indigenisierungsumbenennungen* im Mai diesen Jahres gerade in Victoria Mxenge Hospital umbenannt, nach einer dort ausgebildeten Krankenschwester und Anti-Apartheids-Aktivistin) wurde 1936 in Betrieb genommen, ist das zweitgrößte Krankenhaus Südafrikas, sieht aus wie eine Ansammlung typischer Industriegebäude aus dieser Backstein-Ära und könnte durchaus mal ein wenig optische Aufhübschung vertragen, da man ihm sein Alter wirklich ansieht und es an der einen oder anderen Stelle bröckelt. Aber die Einrichtung ist sauber, das Personal freundlich, die Ärzte machen einen sehr kompetenten Eindruck und wenn man Medikamente verordnet bekommt, kann man sich die ebenfalls kostenfrei direkt in der Krankenhausapotheke abholen.
Man muß allerdings damit leben können, daß man schon für die erste Untersuchung einen kompletten Tag in diversen Wartesälen auf endlosen Stuhlreihen zusammen mit 150 anderen Patienten verbringt, bevor man einen Arzt überhaupt zu Gesicht bekommt und bei allen weiteren in den einzelnen Abteilungen, wenn auch in kleinerem Rahmen, ebenfalls stundenlang rumsitzt. Andererseits war ich mit einer nicht akuten Erkrankung dafür dann auch innerhalb eines Tages beim Facharzt und einen weiteren Tag später lag ich im OP.
Im Verhältnis zu Deutschland, wo man auch gern mal ein halbes Jahr nur auf einen Termin beim Kardiologen oder sonstigen Spezialisten wartet (so jedenfalls die Aussage meiner Mutter damals), imho die bessere Variante. Wenn denn nicht gerade mal wieder eine Viruswelle durch’s Land schwappt, dann will man wohl eher nicht mit Dutzenden hustender Leute eng gedrängt in einem Raum rumsitzen müssen …
(*) Um auch wirklich der ganzen Welt klarzumachen, daß das hier ein afrikanisches Land ist und die Weißen nicht mehr das Sagen haben, fingen sie vor ein paar Jahren an, die alten englischen und Buren-Namen aller möglichen Orte und Einrichtungen durch angeblich originäre indigene Namen zu ersetzen. Bekannte Städte wie Durban, Pretoria, Nelspruit oder Port Elizabeth wurden zwar überhaupt erst von den ersten weißen Siedlern gegründet, vorher war da rein garnix, heißen jetzt aber z.B. eThekwini, Thswane, Mbombela oder Gqeberha, Stanger heißt KwaDukuza und Richards Bay ist jetzt uMlhatuze. Selbst das VW-Werk in Uitenhage findet man inzwischen in Kariega.
Ich fand das bereits 2015 leicht irritierend, weil ich beim ersten Mal nach über dreißig Jahren wieder hier zwar noch wußte, daß ich auf dem Weg zum neu erstandenen Boot mit dem Mietwagen vom Flughafen Richtung „Stanger“ fahren mußte um nach Richards Bay zu kommen, beides auf sämtlichen Highway-Verkehrsschildern aber gar nicht mehr aufgeführt war.
Das nur, falls sich mal irgendwer gewundert haben sollte, warum Google nur noch so komisch anmutende Namen anzeigt die keiner außerhalb Südafrikas kennt. Lediglich Cape Town heißt immer noch Cape Town, wohl weil es eine absolute Touristenhochburg ist und die ausländischen Touristen sonst nicht mehr hinfänden, das will man natürlich auch nicht riskieren.
Mal ein paar Jahre zurückgedacht, war ich hier ja bereits früher schon zweimal in kommerziell geführten Krankenhäusern. Klar, die Optik war ein wenig moderner und ich mußte nicht Stunden auf einem harten Holzstuhl in einem Raum voller Leute ausharren, aber dafür hat mich eine simple Colonoskopie im NetCare The Bay in Richards Bay damals auch schon 2.300€ Vorkasse gekostet, bevor sie auch nur einen Finger gerührt haben. Ich mutmaße mal, daß die von den eher wohlhabenderen Bevölkerungsschichten leben, die sich medical aid leisten können oder wollen.
So, wie sich die Sache derzeit darstellt, werde ich das nächste halbe Jahr also vermutlich mehr mit der Wiederherstellung des Status Quo meiner Gesundheit beschäftigt sein, als womöglich Boot zu fahren. Und wenn alles gut geht, ist dann hoffentlich wieder für 5-6 Jahre Ruhe.
Tatkräftige Unterstützung gibt’s dabei von Lou: Das Grünzeug, das wie im Titelbild zu sehen, neuerdings in Teilen unserer neuen Mauer wuchert, ist Spinat. Mein Vitamin-Nachschub aus eigenem Anbau ist somit mehr als gesichert 🤣
Thelxinoe liegt seit Monaten unberührt am Liegeplatz in der Durban Marina. Alle paar Wochen fahren wir mal hin um nachzusehen, ob sie noch schwimmt und noch alles in Ordnung ist; der im Februar mitgebrachte Propeller ist bis heute noch nicht montiert, weil ich dafür nicht in das verpäkte Hafenbecken steigen wollte und auch noch keine rechte Gelegenheit war, den Kahn wieder mal für eine Tide auf dem Strand zu parken, aber irgendwann wird auch das noch passieren.
Unsere Baustellen am Haus werden langsam ebenfalls weniger, auch wenn die mit der Instandsetzung beauftragten Firmen sich zuletzt reichlich Zeit gelassen haben und z.B. die Poolpumpe immer noch fliegend verdrahtet (wenn auch immerhin über Alexa gesteuert) ist, haben wir seit heute immerhin wieder einen Fußbodenbelag im Poolhouse und können anfangen, über dessen Innen-Einrichtung nachzudenken. Wird nicht langweilig
btw: Wer schon immer mal wissen wollte, wie das Wetter hier so ist: Ich habe unsere neue Wetterstation mittlerweile mit ins weltweite „wunderground“-Wetternetzwerk eingebunden, wo die Daten alle paar Sekunden aktualisiert dargestellt werden.
Bis die Tage …