… twentyfour little hours ….
Auch, wenn die Entwicklungen nicht wirklich überraschend kamen, fühlt sich die Welt seit gestern irgendwie drastisch verändert an.
Amerika hat die Demokratie drangegeben und sich für einen narzisstischen Autokraten als neuen Präsidenten entschieden, der sich für den Rest der Welt noch weniger interessiert, als für seine eigene Bevölkerung; die deutsche Bundesregierung ist ganz offensichtlich am Ende ihrer ungeliebten Dreifaltigkeit angelangt und selbst das Wetter bietet einem wenig Anlass zu Optimismus.
Die Welt ist gefühlt seit heute auf einen Schlag deutlich unsicherer, als das noch gestern der Fall war. Künftige Generationen (so es dann noch welche gibt, die schriftliche Aufzeichnungen führen) werden das Zeitalter ab 8.11.2024 womöglich als Beginn des Übergangs vom Anthropozän ins Entropozän bezeichnen.
Vielleicht sollte ich mal Lotto spielen; bei soviel Scheiß auf einmal müßte es ja eigentlich wenigstens irgendwo auch ein ausgleichendes positiv-Event geben …
„Jedes Volk hat die Regierung, die es verdient„
(Joseph de Maistre, 1753-1821)
Nach all dem, was die Amerikaner ihrem krawalligen Blondschopf bislang durchgehen lassen haben, war sich die Mehrheit der Wähler nicht zu blöde, ihn trotzdem noch eine weitere Amtszeit ins Weiße Haus zu hieven, um die Gefolgschaft durch prollige Sprüche und oft irrationale Entscheidungen zu unterhalten. Wahrscheinlich wäre es für alle Beteiligten und ganz sicher für den Rest der Welt deutlich besser und sicherer gewesen, Fox hätte ihm einfach seine eigene Sendung gegeben und ihn fürstlich dafür bezahlt. Oder sein Kumpel, der Herr Tesla, ihm gleich einen eigenen Fernsehsender gekauft. Da hätte er sich austoben und rumpöbeln können, ohne daß es irgendwem sonst ernstlich weh getan hätte.
Sei`s drum, sie haben es so gewollt. Und sie und der Rest der Welt werden damit leben müssen. Nachdem die Republikaner auch noch die Mehrheit im Senat gewonnen haben wäre ich allerdings nicht überrascht, wenn irgendwo im Zuge ihres ominösen „Project 2025“ auch nach einer Möglichkeit gesucht würde, die noch aktuelle Begrenzung auf maximal zwei Amtszeiten als Präsi loszuwerden. Die darin enthaltenen Ansätze deuten ja zumindest darauf hin, daß alles getan werden wird, um sämtliche relevanten Posten mit getreuen Trumpisten zu besetzen, sobald das Amt im Januar übergeben ist. Kommt einem doch irgendwie bekannt vor …
Und Deutschland? Die Ampel kann nicht mal mehr eine einstimmige Aussage treffen, wer nun eigentlich wen rausgekickt hat, wenn man sich die Interviews von Scholz und Lindner ansieht. Einig sind sie sich nur insofern, daß der jeweils andere die Schuld am Zusammenbruch der Koalition hat. Als hätte Europa nicht auch so schon genügend Probleme ohne ein handlungsunfähiges Deutschland. Wagenknecht und Seidel können vermutlich kaum noch an sich halten vor Lachen, und Putin und Xing sitzen wahrscheinlich sowieso seit Monaten abends vor dem Fernseher und amüsieren sich über das wachsende Chaos im Westen.
Wenn man mal auf den Rest der Welt blickt, ist da so ganz viel Positives ebenfalls nicht zu entdecken. Israel und Iran spielen weiter mit dem Feuer und sind dabei, den nahen Osten in ein einziges großes Schlachtfeld zu verwandeln, die Ukraine steht mit dem Rücken zur Wand, und China wartet vermutlich nur noch bis zu Trumps Amtseinführung, bevor sie Taiwan „heim ins Reich“ holen, ohne daß ihnen jemand in die Quere kommt. Plus ungezählte sonstige Krisenherde, von denen man meist nur in Nebenbeiträgen und Randnotizen ab Seite 3 etwas mitbekommt.
Ich war eigentlich Zeit meines Lebens Optimist und hatte gehofft, daß die Menschheit während meiner Lebenszeit endlich genügend Verstand entwickelt, um sich zusammenzuraufen und globale Probleme auch global anzugehen, anstatt sich weiterhin in nationalistischen Plänkeleien und Kriegen zu zerreiben. Hab mich wohl geirrt.
Manchmal bin ich echt froh, daß ich hier doch einigermaßen weitab vom Schuß bin. Die haben hier zwar auch genügend Probleme, aber geopolitisch gesehen, ist Südafrika dereit wohl immer noch eine der ruhigeren Gegenden der Welt.
Genug der Meckerei, der heutige Tag hatte, zumindest für mich persönlich, auch eine positive Seite:
Vor gut vier Wochen hatte ich ja eine neue Chemo-Therapie gegen meine wieder-aufgeflammte CLL angefangen. Angesetzt waren sechs Monate lang Infusionen an jeweils drei aufeinander folgenden Tagen alle vier Wochen. Den ersten Tag ging es mir noch einigermaßen, am zweiten Tag bekam ich nach wenigen Minuten an der Nadel heftige Hitzewallungen und fing an, meine Umgebung nur noch durch einen zunehmend dichter werdenden Grauschleier wahrzunehmen (was mir 2018 gleich am ersten Tag schon mal einen Spontantransport in die Stroke-Unit in Hessisch Oldendorf eingebracht hatte), gefolgt von drei Stunden, die ich mit extremem Schüttelfrost unter etlichen Decken auf einer Krankentrage verbrachte, bis sich das wieder halbwegs normalisierte.
Irgendwie scheine ich wohl ziemlich heftig auf das verabreichte Rituximab zu reagieren. Der dritte Tag verlief dagegen wieder komplikationslos, und abgesehen von den erwarteten Begleiterscheinungen und Nebenwirkungen, ging es mir in den nächsten vier Wochen so lala. Soll ja auch kein Vergnügen sein, so eine Chemo.
Gestern war ich losgezogen, um die zweite der sechs monatlichen Sessions zu beginnen und hatte erneute Bluttests etc. hinter mich gebracht, als mir heute morgen bei meinem Appell zum Start der eigentlichen Infusions-Therapie die diensthabende Schwester mitteilte „Ihre Ergebnisse von gestern liegen vor, und die Ärztin möchte Sie dringend sprechen, bevor wir hier anfangen„.
Was bei mir erstmal ein recht mulmiges Gefühl auslöste, sowas kann ja eigentlich nichts Gutes bedeuten. Also ging ich ins Nachbargebäude zur Hämatologie, wo mich die Onkologin empfing, interessiert ansah und dann sagte: „Ich weiß nicht, wie Sie’s gemacht haben, aber Ihr WBC-Wert (Anzahl der weißen Blutkörperchen) ist von über 300.000 beim Test vor vier Wochen auf 13 gestern gefallen. Wir brechen die Therapie an dieser Stelle ab weil, viel besser kann es garnicht werden„.
Oops? Das kam jetzt unerwartet, aber natürlich nicht unwillkommen. Der Normalwert liegt bei 4-12 und meiner war, wie gesagt, in der Spitze wirklich drastisch höher gewesen, insofern ist 13 nichts, worüber ich mir auch nur ansatzweise irgendwelche Sorgen machen würde. Somit bin ich jetzt wieder auf dem gleichen Stand wie im Juli 2018 nach sechs Monaten Therapie. Ich hoffe, das bleibt jetzt auch erstmal eine Weile so.
Mein Immunsystem liegt zwar noch zerschossen darnieder und es gab den eindringlichen Rat mit auf den Weg, die nächsten Tage größere Menschenansammlungen zu meiden, um Infektionen aus dem Weg zu gehen, aber ansonsten: Alles gut. Habe eine Wochenration eines Neutrophile-aufbauenden Präparates zum selberinjizieren ins Bauchfell, damit das Immunsystem wieder die Arbeit aufnimmt, und eine Tüte voll Antibiotika mitbekommen um bis dahin auszuhelfen, das war’s. Nächster Termin in drei Wochen zum Nachtest. Mal sehen, wie die Sache sich weiterentwickelt.
Was für ein Tag …