Auch wenn (vermutlich nicht nur) ich so manches Mal leise gezweifelt habe, ob ich es wohl jemals noch in Richards Bay aus dem Hafen schaffen würden: Donnerstag morgen haben wir die Leinen losgeworfen und uns auf den Weg nach Durban gemacht.
Sah der ursprüngliche Plan noch vor, in einem Stück nach Port Elizabeth durchzusegeln, machte uns natürlich prompt das Wetter einen feisten Strich durch die Rechnung, da am Abfahrtsmorgen für Samstag/Sonntag statt der ursprünglich angesagten 20kts auf einmal 35kts in der dortigen Gegend angedroht wurden. Nix, was ich auf unserem ersten Törn unbedingt haben müßte, also Plan B:
Auf nach Durban.
Das sind rund 90nm von Richards Bay aus; kann man mit einem schnellen Segler und passendem Wind in 14-15h schaffen, wie unser früherer Stegnachbar zwei Wochen vorher kundgetan hatte. Wir hatten weder das Eine, noch das andere, also richteten wir uns darauf ein, wohl einen ganzen Tag unterwegs zu sein und irgendwann in den frühen Morgenstunden vor Durban einzutrudeln. Immerhin sollte dies unser „Shakedown-Törn“, ein erster Test-Trip, werden, um zu sehen, wie sich das Boot verhält und ob alles brauchbar funktioniert.
Laut Prognose war bis 11h kaum Wind um Richards Bay zu erwarten, danach sollte eine leichte Brise mit 6-10kts aus Nordost einsetzen, perfekt für unser Vorhaben. Daß beim Klarmachen für den Törn mein neulich geliefertes und bis dato komplett unbenutztes AWN-Steiner Fernglas beim Herausziehen aus der Tasche vorwarnungslos in der Mitte durchbrach, tat der Vorfreude zwar ein wenig Abbruch, aber wir hatten ja noch das alte Compass-Glas an Bord.
Unsere Stegnachbarn Markus und Lee waren extra früh aufgestanden, und verabschiedeten uns kurz nach 7h am Steg. Wir fuhren bei absoluter Windstille und bedecktem Himmel aus dem Hafen, wichen einem gerade hereinkommenden Schiff aus, das uns auf der falschen Seite entgegenkam, und Lou hatte direkt hinter der Ausfahrt Gelegenheit, ihren allerersten freischwimmenden Delfin zu sehen. Ich hab ihn allerdings verpaßt, weil ich gerade damit beschäftigt war, Imke nicht im Weg rumzustehen.
Wir motorten also fröhlich vor uns hin, erreichten irgendwann die 80m-Tiefenlinie auf der wir gen Südwesten segeln wollten und warteten auf die Brise, die uns das Leben ein wenig erleichtern und tatsächliches Segeln ermöglichen sollte. Dummerweise ist das Wetter hier alles, aber nicht brauchbar vorhersagbar, und ändert sich schneller, als man gucken kann. Die Brise kam nicht. Nicht gegen 11h, nicht gegen 15h, und auch nicht später. Dafür kam am Nachmittag ein bischen Wind auf, der uns allerdings direkt auf die Nase blies. Das war jetzt kein wirklicher Grund zur Beunruhigung, die See war ruhig mit eineinhalb Metern Dünung, wir hatten genügend Vorräte und 340L Diesel an Bord, also dröselten wir mit rund 1750rpm unserem Ziel entgegen.
Nachteinfahrten in unbekannte Häfen sind ja eh so ein Thema für sich, das ich gern vermeide, also behielten wir die Geschwindigkeit bei. Bis Sonnenuntergang lag unsere Durchschnittsgeschwindigkeit gerade mal bei etwas über 2kts und wir bereiteten uns auf unsere erste gemeinsame Nachtfahrt vor.
Es war genügend Mondlicht, brauchbare Sichtverhältnisse, und kein Schiffsverkehr in Sicht, also wechselten wir uns alle zwei Stunden beim Ausguck ab, während der Autopilot eine ziemlich gerade Linie Richtung Südwest ungefähr 8nm von der Küste entfernt abfuhr. Bis zum Morgen hatten wir das Ankerfeld für die Großschifffahrt vor Durban erreicht, und ich beschloss, die Geschwindigkeit ein wenig zu erhöhen. Wind war immer noch keiner, also erhöhte ich die Motordrehzahl auf moderate 2450rpm, was uns immerhin auf knapp 4kts brachte.
Allerdings nur für ein paar Seemeilen, denn ungefähr 8nm vor der Hafeneinfahrt fing der Motor an, klopfende Geräusche von sich zu geben. Kein Alarm, keine blinkende Kontrolle, nix. Gaswegnehmen führte zum sofortigen Aus des Motors, und danach sprang er auch nicht wieder an. Ein Kontroll-Blick in den Motorraum ergab eine gräuliche Öl-/Wasseremulsion in der Bilge und einen abgeflogenen Verschlußdeckel vom Kühlwassereinlass. Merde!
Ich beschloß, trotz der nur 2-3kts Wind aus Gegenrichtung die Genoa auszurollen und das Groß zu heißen, um wenigstens einen Hauch von Manövrierfähigkeit zu erhalten, denn wir begannen recht zügig, zurück in Richtung des geankerten Frachters zu driften, den wir eine dreiviertel Stunde vorher passiert hatten. Und nu?
Aufgeben und zurücksegeln nach Richards Bay kam eher nicht in Frage, also versuchte ich so gut es ging, zumindest unsere Kurslinie wieder zu erreichen, von der wir inzwischen fast eine halbe Meile in Richtung Küste abgedriftet waren.
Eine halbe Stunde später kam Wind auf. Nicht nur, daß er mit 8-10kts wenigstens für ein bischen Vortrieb sorgte, nach weiteren zwanzig Minuten drehte er sogar fast um 180°, so daß wir Durban direkt anliegen konnten. Cool, wir segeln tatsächlich. Nicht übermäßig schnell, aber immerhin auf unserer alten Kurslinie und in die richtige Richtung
Das waren, zugegeben, die entspanntesten zwei Stunden dieser ganzen Fahrt und es hat richtig Spaß gemacht.
Dieses erwähnte Ankerfeld ist recht weitläufig, die Schiffe liegen mindestens 1nm oder mehr auseinander, und auch unter Segel kommt man somit locker dazwischen durch. Theoretisch hätten wir wohl auch bis direkt in den Hafen segeln können, entschieden aber, dann doch lieber bei SeaRescue Durban anzurufen und unsere Situation zu schildern. Segeln in der Hafeneinfahrt kommt bei den Berufern vielleicht doch nicht so gut an.
Kurz vor dem Hafen haben uns die freundlichen Helfer von der Rescue 5 dann auch eingesammelt und bis vor einen Steg in der Marina geschleppt. Thanks guys!
Die Einfahrt zum Hafen selbst ist weit genug, daß wir da auch hätten reinsegeln können, wenn’s denn nötig gewesen wäre, aber so waren wir auf der sicheren Seite und hatten weniger Streß. Außerdem wissen wir nun, daß dieser Dean Kat auch bei 8.5kts noch ruhig und sauber in der Spur läuft
Da sind wir nun also: Durban Marina. Die Marina hatte sich Freitag außerstande gesehen, uns vor Montag einen Stegplatz mit Strom zuzuweisen, was uns angesichts dreier voller Kühlschränke bzw. -boxen im Gefriermodus vor ein kleines Problem stellte, denn auch das Wochenende war überwiegend bewölkt und weitgehend windstill, und ohne Landstrom oder Ladung durch den Motor ging die LiFeYPo-Batteriebank deutlich schneller in die Knie, als mir lieb war. Sonntag morgen waren wir auf unter 24% Restkapazität, und ich war am überlegen, eine oder beide Boxen abzuschalten. Lieber ein paar Steaks verlieren, als einen 2000,-€ Batteriesatz …
Letztlich habe ich dann die Winston-Zellen abgeschaltet, bevor erst das Unterspannungsrelais auslöste, und die Ankerwindenbatterie temporär als Hausbatterie angeschlossen. Die hat uns, mit Hilfe von ein paar später doch noch stattfindenden Stunden Sonnenschein, über den Sonntag gebracht und Montag morgen rückte Marc, der Marina-Manager mit ein paar Gehülfen an, hat uns an einen anderen Platz verholt und zu Landstrom verholfen.
An den Samstag habe ich allerdings nur ein paar rudimentäre Erinnerungen. Ich weiß noch, daß wir im Royal Natal Yacht Club (einem der beiden in der Marina ansässigen Clubs, der andere ist der Point Yacht Club)
gefrühstückt und uns ein paar Stunden mit anderen Seglerinnen über alles mögliche ausgetauscht haben, aber irgendwann im Verlauf des späten Nachmittags, zurück auf dem Boot, hat mich mein Kreislauf im Stich gelassen und ich bin, mit Lou gemütlich im Cockpit sitzend, aus den Latschen gekippt. Ob nun durch den ganzen Streß der vergangenen Tage, zuwenig gegessen, Kaffee-Entzug oder wat auch immer, jedenfalls war mein Blutdruck runter auf 70:53, und es ging mir immer schlechter.
Lou hat mich in Schocklage gebracht und mir eine Cola eingeflößt, und anschließend haben wir über drei Stunden auf eine Ambulanz gewartet, bis ihr irgendwann der Kragen geplatzt ist und sie direkt in einem Hospital angerufen hat, die ihr dann recht schnell eine andere vermittelt haben, welche auch tatsächlich kurz darauf ankam. Ernsthaft krank zu werden ist in dieser Millionenstadt ganz offensichtlich nicht ratsam, will man nicht während der Warterei auf einen Krankenwagen abnippeln …
Sei’s drum. Der Notarzt war da, hat nochmal Blutdruck und -zucker gemessen, Lou gelobt weil alles richtig gemacht, und nachdem ich bis dahin eh schon wieder halbwegs stabil war, verschwand er wieder, ohne mich mitschleppen zu wollen oder sonstige größere Maßnahmen. Ein Dauerzustand sollte das mit meinem Kreislauf aber besser wohl nicht werden, wenn wir diesen Törn ernsthaft fortsetzen wollen.
Immerhin: Auch wenn die Marina mal schlapp das 6-fache dessen an Liegeplatzgebühr aufruft, was ich bislang von Richards Bay gewohnt war und das Personal des hier angesiedelten PYC nach all den Jahren seit Ende der Apartheid immer noch ein Problem mit latentem Rassismus zu haben scheint, wenigstens das Essen in Durban ist gut, reichlich und günstig. Unser Abendessen gestern, von einem Indischen Imbiss „um die Ecke“, hat umgerechnet 5,70€ inclusive Bringdienst bis ans Boot gekostet und war äußerst lecker, und der heute verkostete Shawarma vom Food-Shop auf der anderen Straßenseite war ebenfalls gut und günstig.
Montagmorgen war ich zwar noch immer nicht wirklich fit, aber wenigstens wieder so halbwegs einsatzfähig. Lou nutzte den Wasser-Anschluß an unserem neuen Liegeplatz, um an Deck ein bischen kleinere Wäsche zu waschen und nebenbei die Tanks zu füllen, während ich im Cockpit dösend vor mich hin rekonvaleszierte. Irgendwann bemerkte sie mir gegenüber, daß das Wasser aus dem Steganschluß aber wohl wirklich extrem langsam laufe, der Tank sei immer noch nicht voll …
Dazu muß man wissen, daß Thelxinoe’s Tanks eine kleine Entlüftungsöffnung oben im Deckel haben. Sobald der Tank tatsächlich voll ist, läuft es da raus in die Bilge. Und sobald da mehr als 2cm drin stehen, läuft die betreffende Bilgenpumpe an und pumpt über Bord, was durchaus vernehmbar ist, wenn man eh an Deck steht. Somit weiß man „Aha, Tank ist voll„.
Allerdings nicht, wenn man, wie ich am Samstag, sämtliche Stromkreise außer den Kühlschränken ausschaltet und auf eine andere Batterie klemmt, um Strom zu sparen und den Tiefentlade-Tod des LiFeYPo-Blocks zu verhindern. Als mir aufging, wie sie zu dem Schluß gekommen war, daß der Tank noch nicht voll sei und von der Cockpitbank ins Innere hechtete, stand das Wasser im Steuerbordrumpf immerhin schon bis zu den Bodenbrettern, 3 cm oberhalb der Tankoberkante und somit in die vordere Bilge durchgelaufen, und 5cm hoch auf dem Teppich der Achterkabine.
Selbstversenkung im Hafenbecken, das wär’s nun noch gewesen. Immerhin, nachdem die Pumpen wieder liefen, war auch die Bilge nach einer Weile wieder trockengelegt. Nach all den Aktionen mit leckenden Wassertanks war es ja auch nicht das erste Mail, daß die Bilge voll stand. Wenigstens war es sauberes Leitungswasser.
Krönung des Tages war dann, daß ich die oberste Regel im Umgang mit der Seetoilette fahrlässig mißachtet habe: „Du sollst nichts ins Klo werfen, was Du nicht vorher gegessen hast“ und den Inhalt von Lou’s Waschwassereimer da reingekippt habe. Es hat mich anschließend eine knappe Stunde gekostet, das Stofftaschentuch aus der Pumpe zu pfriemeln, das ich übersehen hatte Immerhin weiß ich nun auch, wie so eine Pumpe von innen aussieht. Nur gut, daß ich vorher schon rund 30L fast sauberes Bilgenwasser da durchgepumpt hatte, um die Trockenlegung der vorderen Bilge zu beschleunigen. Wuärks …
Also, niemand soll behaupten, Segeln sei langweilig.
Wie geht das nun weiter bei uns? Tja, weiß auch noch nicht so recht. Die Motorgeschichte sieht von meinem Mechaniker-Standpunkt aus gesehen jetzt erstmal nicht wirklich positiv aus. Heute hatte ich einen lokalen Mechaniker hier, der im Gespräch sehr kompetent wirkte und sich mit unserem antiken MD22 auszukennen scheint. Morgen werden wir mal Kompression messen, und dann wird sich wohl rausstellen, ob der Gußklotz zu retten ist, oder ob es ihn dahin gerafft hat.
Vorerst bleiben wir jedenfalls erstmal hier. Bis die Tage denn …
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