Lockdown, Tag 150

Boote sind doch echt toll! Eine Feststellung, die mich immer mal wieder ereilt. Als ich gestern nach des Tages Müh und Last mich wohlverdient auf meine verwaiste Ruhestatt betten wollte, überraschte mich mein Kahn mit einem großen, nassen Fleck auf der Matratze. Leicht irritiert, da ich mir sicher war, weder in der Nacht zuvor irgendwelche Anzeichen von Inkontienz gespürt zu haben, noch sonstige Flüssigkeiten im Bett zu erwarten gewesen wären, schaltete ich das Licht ein, und sah an der Innenseite meiner Frontscheibe eine stete Spur von rund einem Tropfen alle paar Sekunden runterlaufen, und sich am unteren Ende der Scheibe in Richtung Matratze abzuseilen.

Es war den ganzen Tag über staubtrocken gewesen, nicht mal ein Ansatz von Regen in der Luft, lediglich die Luftfeuchtigkeit hatte abends bei gut 90% gelegen und sich schon als Niederschlag an Deck wiedergefunden, als ich mich Stunden zuvor nach Einbruch der Dunkelheit in den Salon verzogen hatte, um den gestrigen Blogeintrag zu schreiben.

Wo kam das Wasser her?

Als Sofortmaßnahme half erstmal eine Barriere aus Duct-Tape unterhalb des Fensters, die dank der Wölbung der Fensterfront nach außen und unten den nicht versiegenden Strom an Tropfen wenigstens von meiner Komfortzzone fernhalten, und Richtung Teppich ableiten würde.

Der nasse Fleck war immerhin fast einen halben Meter lang und 30cm breit und mittendrin, statt nur dran lang. Nur gut, daß ich im letzten halben Jahr gerade gelernt habe, mit nur einer Betthälfte auszukommen.

Der Morgen danach brachte Klarheit:

Diese von Morgans Hanseln Anfang 2017 erneuerten Scheiben, bei denen mir vor Jahren schon aufgefallen war, daß sie um die Schraubenlöcher herum teilweise Risse aufwiesen, waren die Ursache. Nicht nur, daß sich die Scheibe entlang der Anlagefläche teilweise vom Primer, und somit auch von der Sikaflex-Dichtung getrennt hat, wie im nachfolgenden Bild zu sehen; nein, einer der Risse geht inzwischen über die Anlagefläche hinaus in die Scheibe, und durch Kapillarwirkung gelangt das Wasser an dieser Stelle auf die Innenseite.  Hört das eigentlich nie auf mit neuen Baustellen?

Nähere Betrachtung ergab, daß das an der Backbordscheibe nicht nennenswert anders aussieht, auch dort ist einer der Risse inzwischen fast bis zur freien Fläche vorgedrungen. Es ist also wohl nur eine Frage der Zeit, bis es auch da tropft.

Da ist so auf die Schnelle nicht viel dran zu beheben, fürchte ich. Ich habe die beiden langen Risse jetzt dezent mit Acrüfix 100 beträufelt, ein transparenter Polycarbonat-Kleber mit spaltüberbrückender Konsistenz, und anschließend den Bereich mit Duct-Tape abgeklebt. Mal sehen, ob es mir heute Nacht dann wieder auf den Bauch tropft…

Ich bin mir ohnehin nicht völlig sicher, ob das, was ich 2016 als Polycarbonate bei Maizey’s gekauft hatte, nicht in Wirklichkeit simples Plexiglas gewesen ist, das sie mir untergejubelt haben. Überrascht wäre ich jedenfalls nicht, nach allem was ich hier bislang so erlebt habe. 8mm Makrolon reißt normalerweise nicht einfach so ohne weiteres, soweit ich weiß. Wenn ich hierzulande irgendwo Makrolon AR oder Lexan Margard in 9mm auftreiben kann, werde ich wohl beide Frontscheiben nochmal raustrennen und neue einsetzen müssen. Elende Kagge! Boote sind toll!

Meine Aktion mit dem Windgenerator gestern, war dagegen ein unerwartet voller Erfolg. Irgendwann gegen zehn Uhr heute morgen fiel mir ein leises Summen und Tickern auf, das wohl schon eine ganze Weile im Hintergrund meines Bewußtseins gewesen war. Meine Wetterstation zeigte eine Windgeschwindigkeit von gerademal 7 Knoten an und siehe da: Es dreht sich was!

Die nervigen Vibrationen sind  mit den neuen Blättern nahezu vollständig verschwunden und das Ganze ist noch einmal eine Stufe leiser geworden. Nur beim genauen hinsehen oder beim Festhalten am Geräteträger kann man sie noch spüren, es gibt so gut wie keine Übertragung auf den Rest des Bootes mehr. Vorher hatte ich ja die leise Befürchtung gehegt, daß es früher oder später zu Vibrationsrissen an den Schweissnähten des Trägers oder an den Montagestellen im GFK kommen würde, so wie das gesamte Ding teilweise gewackelt hat. Mission erfüllt.

Der Generator läuft jetzt bereits bei einem leicht säuselnden Wind an, nicht erst dann, wenn man statt einer Basecap schon eine festsitzendere Mütze aufsetzen würde. Gute Aktion! Ich werde wohl noch einen zweiten Satz 60cm-Blätter nachordern, und den anderen Generator ebenfalls umrüsten.

Dafür sind jetzt die Razorbellies weg, meine Köderfisch-Quelle, womit dann aller Wahrscheinlichkeit nach auch die großen Räuber wohl wieder aus dem Hafen verschwinden werden. und wodurch meine Versorgung mit frischem Fisch an Bord einen herben Rückschlag erleiden dürfte. Ärgerlicherweise ist das letzte Paket mit Cob-Filet im Freezer auch schon seit Wochen gegessen.

Gestern waren schon den gesamten Tag über keine Razorbellies mehr zu sehen, und heute morgen flipperten zwar noch ein paar wenige hinter dem Boot rum, bissen aber nicht. Mit Glück habe ich um kurz nach sechs noch drei davon gehakt und auf Vorrat eingetütet, aber  die Saison scheint zu Ende zu gehen. Alle, die im Laufe des Tages hier ihr Glück versuchten, gingen leer aus, soweit ich das mitverfolgt habe.

Heute war der erste Montag im Zuge des Lockdown, an dem der bis vorher übliche „Braai-Monday“ wieder stattfand. Jedenfalls eigentlich…

Gestern nachmittag, als ich nur noch kaffeetrinkend im Cockpit rumsaß und in die Gegend sah, waren Kirsten und Antoinette in ihrem uralten GFK-Dinghy vorbeigetuckert und wollten eigentlich schon für denselben Abend zum Braai bei sich an Bord einladen, was ich aber dankend abgelehnt hatte. Immerhin hatte ich erst am Vortag warm gegessen. Wir hatten uns dann für heute zum Club-Braai vertagt. 

Nachdem ich mich vorhin auf den Weg gemacht, und anschließend eine Stunde lang ziemlich unmotiviert  und vergebens  auf die beiden gewartet hatte, habe ich den beiden einzigen anderen Teilnehmern der Aktion einen schönen Abend und guten Appetit gewünscht, und die Sache abgeblasen. Irgendwie habe ich eh keinen Hunger, auch wenn ich den ganzen Tag über nur eine Handvoll Cornflakes und zum Lunch ein Mettwurstbrot gegessen, und den Nachmittag damit verbracht hatte, sowas wie einen Filet-Topf vorzubereiten.

Naja, dann ist wenigstens das Essen für morgen und vermutlich sogar übermorgen gesichert…

Die Clubleitung macht scheinbar tatsächlich Ernst, mit ihrer „Geländebereinigung“. Heute fingen zwei Mann an, mit Flex und sonstigem Grob-Werkzeug den nächsten Kahn zu zerlegen, der hier schon seit Jahren einen Stellplatz verstopft. Dieser scheint aus Stahl zu sein, den Rostspuren nach zu urteilen. Mal sehen, wie lange es dieses Mal dauert …

Und dann war da noch …

… dieses irritierend helle Blinklicht von dem Katamaran, der zwei Stege weiter und ungefähr 120m entfernt von mir liegt, das mir nach Einbruch der Dämmerung ins Auge stach. Mit bloßem Auge konnte ich schon nicht mehr erkennen, was da rumblinkte, aber dank des 720mm-Zoom der Lumix ließ sich das Rätsel lösen: Das Alarmlicht an der Rettungsweste war’s. Zumindest  von der Sichtbarkeit her durchaus beeindruckend. Das dürfte die Chancen des Wiederfindens deutlich erhöhen, sollte Nachts irgendwer (mit Weste) über Bord gehen. Hilft natürlich auch nur, solange mehr als eine Person an Bord war…