Die letzten vier Tage waren zwar irgendwie ausgesprochen unproduktiv, aber trotzdem nett. Montag morgen, kurz nach acht, kam Simon wie üblich angestratzt, hatte sein breitestes Grinsen auf dem Gesicht, und teilte mir freudestrahlend mit: „Den Typen da hinten, dessen Boot gerade mit dem Dolly aus dem Wasser gezogen wird, den kenne ich . Hab schon für ihn gearbeitet, der ist auch Deutscher“. Aha?
Scheinbar hatte die beiden sich vorher schon an Land getroffen und Simon hatte ihm dasselbe über mich erzählt, jedenfalls stand kurze Zeit später Peter, so sein Name, tatsächlich hinter Thelxinoes Heck und bat um Erlaubnis, an Bord kommen zu dürfen. Nach dem
zweiten Becher Kaffee wußten wir immerhin schon mal, was den anderen hier so hergetrieben hat und wie sich rausstellte, lebt Peter seit inzwischen vierzehn Jahren auf seiner damals als halbes Wrack in Durban gekauften und dann von ihm aufgearbeiteten 45Fuß Bruce Roberts, ist in den Folgejahren meist hier an der Küste bis hoch nach Tansania rumgecruised und wohnt nun seit einigen Jahren einigermaßen stationär nur noch auf dem Kahn gegenüber im TuziGazi-Hafen am Steg, weil das mit dem Alleinesegeln allmählich etwas mühsam wird.
Nun stand er hier im Club an Land, um sein Antifouling abzuschleifen und neu zu streichen. Und da er das mit seinen 76 Jahren nicht unbedingt selber machen wollte, kam die Frage auf, „ob ich ihm Simon für zwei/drei Tage ausleihen könnte“. Klar, warum nicht. Ich habe hier noch genügend Möckelkram, mit dem ich mich allein beschäftigen kann.
Ab Dienstag war ich also auf mich gestellt, habe in der Zeit immerhin schon mal mein NMEA-Panel verdrahtet und diverse Gerätschaften
einigermaßen erfolgreich verbunden, habe die Basis für die Ankerwinde angemalt, und als Peter spätnachmittags wieder auf einen Kaffee vorbei schaute, vereinbarten wir für den nächsten Morgen eine Tour zur Mall, da er dort einiges zu erledigen (aber kein Auto) hatte.
Mittwoch morgen ging es also zur Mall. Nachdem er mit seinem Kram durch war und nach einem ausgiebigen Frühstück bei Mug & Bean, legte ich noch einen kurzen Stop bei Woolworth ein, um einen Zweitgürtel zu erstehen (-13.5kg) und dann machten wir uns wieder auf den Weg zurück zum Hafen. Jeder verbrachte seinen Tag mehr oder sinnvoll auf seinem Boot, und abends trafen wir uns auf ein Bier im Club.
Hier kam dann von seiner Seite die Frage, ob ich ihn wohl heute zum TuziGazi-Hafen begleiten würde, so als Singlehander fiele ihm das doch zunehmend schwerer. Aber sicher doch! Ich werde doch keine Gelegenheit auslassen, hier tatsächlich mal ein bischen Boot zu fahren! Und sei es nur, die paar Kilometer unter Motor um die Landzunge rum von einem Hafen in den nächsten.
Also trafen wir uns heute morgen gegen zehn an seinem Boot, das wider Erwarten gestern nachmittag völlig problemlos wieder zu Wasser gelassen worden war, warfen die Leinen los und tuckerten Richtung Hafenausgang. Zumindest solange, bis uns die hier allseits bekannte, bei Flut nur rund 1.50m flache Barre in der Zufahrt zum Zululand YC abrupt stoppte und kräftig nicken ließ. Mist, Durchfahrt um 5m verpaßt!
Die „Lundi Star“ ist ein Stahlboot und hat fast zwei Meter Tiefgang, das war dann doch ein wenig zuviel des Guten. Aber da die Barre nur aus aufgeschwemmtem Sand besteht, ist nix weiter passiert, wir kamen ohne Probleme rückwärts wieder runter und konnten unsere Fahrt mit ein paar Metern Umweg fortsetzen.
Eine gute Stunde nach Abfahrt waren wir, wenn auch erst im zweiten Anlauf, in TuziGazi am Steg festgemacht,
und bevor Peter noch unseren „Anleger-Kaffee“ aufsetzen konnte, stand ein SAMSA-Mitarbeiter (= South African Maritime Safety Authority, sowas wie eine See-Berufsgenossenschaft oder der TÜV) vor dem Boot und wollte ad hoc einen Safety-Check des gerade eingelaufenen Bootes machen. Das war nun offenbar auch für Peter was völlig neues, der darüber auch gar nicht sonderlich amüsiert schien. Aber letzten Endes beschränkte sich die „Sicherheits-Inspektion“ auf ein paar lockere Fragen nach Feuerlöschern und Bilgenpumpen, einem Rundgang über Deck und der Aufnahme einiger Daten aus den Bootspapieren und kostete nichtmal Geld. Easy …
Da die nicht nur „im amtlichen Auftrag“ unterwegs sind, sondern auch ganz normal als Surveyor von jedem Segler engagiert werden können (dann allerdings nicht mehr kostenlos und mit deutlich umfangreicherer Prüfung), habe ich mir wenigstens seine Telefonnummer geben lassen. Meine Versicherung findet es bestimmt prima, wenn ich Thelxinoe einen Safety-Check durch eine richtige Behörde inclusive amtlichem Zertifikat durchlaufen lasse, bevor ich losfahre …
Nachdem der SAMSA-Mensch wieder verschwunden war und wir das Boot ein wenig aufgeklart hatten, gab es dann doch noch einen Kaffee, wir haben zwei weitere Stunden verquatscht, und anschließend machten wir uns auf den Weg zum nebenan gelegenen „KNK Curries“, um dort Mittag zu essen. (Was richtig gut war, auch wenn die beiden Mädels und Peter der Meinung waren, das sei aber wirklich verdammt scharf gewesen
Hier stießen wir auf Lisa, Crew auf einem dänischen Segler, der hier im Hafen liegt, und Rebecca, die mir, trotz meines nur rudimentär vorhandenen Personengedächtnisses, irgendwie bekannt vorkam. Letzteres lag dann eher daran, daß a) ihr Boot seit zwei Wochen hier im ZYC drei Boote weiter neben mir an Land steht und wir uns neulich beim Braai getroffen hatten, und b) ich sie irgendwann schon mal in diversen Videos im Kanal von Patrick Childress Sailing auf Youtube gesehen hatte. Hatte ich allerdings schon eine Weile nicht mehr verfolgt, sonst wäre mir vermutlich aufgefallen, daß die neuerdings meine Nachbarn sind und nach dem Törn über den indischen Ozean nun ebenfalls ihr Boot hier refitten.
Nun ja. Der Nachmittag verging wie im Fluge mit mehr Gequatsche und mehr Kaffee, und da Rebecca mit dem Auto vor Ort war und mich dann freundlicherweise mit zum ZYC zurück nahm, ersparte mir das wenigstens die paar Kilometer Fußmarsch, auf die ich mich morgens schon so halb eingestellt hatte.
Bis dahin war es dann allerdings schon halb fünf, und der Tag war so gut wie gelaufen. Nachdem es jetzt die ganze Woche tagsüber relativ angenehm war, sind für morgen schon wieder Böen bis 30kts und Regen angesagt. Mal sehen, ob ich diese Woche überhaupt noch irgendwas am Boot gebacken kriege …
Als Resumee der Woche bleibt jedenfalls anzumerken, daß es zur Abwechslung auch mal wieder ganz nett war, ein paar mehr deutsche Worte außer den allmontäglich beim Braaiabend von Kirsten gebrachten „Gutten Abend, wie gäht es dirr?“ zu wechseln. Peter schien das ähnlich zu sehen. So ganz langsam scheint in ihm die Erkenntnis zu reifen, daß das Alleinleben auf einem Segler in der Fremde mit Mitte 70 nicht mehr ganz so einfach ist wie mit 60, und er knappst wohl dran rum, ob er den Kahn gegebenenfalls verkauft und wieder nach Deutschland zurückgeht. Also falls einer der werten Mitleser gerade eine gut erhaltene, hochseetaugliche Bruce Roberts 45 für überschaubares Geld sucht, kann er mich gerne nach Peters Telefonnummer befragen…
Überhaupt: Im Verlauf unserer diversen Gespräche wurde mir nochmal so richtig bewußt, daß ich damals in den 1980ern wohl echtes Glück gehabt habe, daß mir Südafrika ungefragt einfach so seine Staatsbürgerschaft umgehängt hat und ich nun einen entsprechenden Pass habe. Alle anderen exPats die hier so leben, müssen entweder alle drei Monate ihr Visum verlängern, was seiner Schilderung nach wohl mit ziemlich viel Umstand und Lauferei verbunden ist, oder mal eben kurz das Land verlassen, um mit neuem 90-Tage-Visum wieder einzureisen.
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