quo vadis?

Seit wir Ende August wieder aus Deutschland zurückgekommen sind, mangelte es mir definitiv an Motivation, hier etwas „auf’s Papier“ zu bringen. Nicht, daß in der ganzen Zeit nichts berichtenswertes passiert wäre, nur fehlt mir allmählich echt der Trieb, über weitere Mißlichkeiten mit den hier ansässigen Handwerkern zu schreiben. Aber im Grunde genommen ist die ganze Sache eigentlich so haarsträubend blöd, daß ich gar nicht anders kann.

Um es kurz zu machen: Wir stecken immer noch antriebslos in Durban fest. Der Motor ist wieder drin und tut was er soll, der Antrieb ist überholt und angebaut, und angeblich hatten sie während unseres Deutschland-Urlaubs sogar einen Testlauf durchgeführt um die Funktion zu prüfen, aber wie so oft im Leben, sind es auch hier die Feinheiten, die einen gern mal ausbremsen. In diesem Fall ist es zum einen die Tatsache, daß ich nach dem Anbau des überholten Unterwasserteils feststellen mußte, daß dieses sog. „Intermediate housing“ ganz offensichtlich nicht wie ursprünglich ein VP270-Teil ist, sondern irgend etwas anderes, das ich bislang noch nicht so recht identifizieren konnte.

Sieht zwar fast genauso aus, ist aber an der Anlage zum Transom ein kleines bischen breiter, kann gar nicht komplett anliegen und rastet somit nicht ein. Was dazu führt, daß sich beim Rückwärtsfahren der Antrieb selbstätig hochklappt. Nachdem Jonathan meiner recht nachdrücklichen Forderung, das alte Teil wieder herzubringen irgendwann nachgekommen war, fand ich auch raus, warum nicht: Die gesamte Arretiermimik samt der „Rückwärts-Hochklapp-Blockierung“, die in der Schemazeichnung zu sehen ist, sieht bei dem jetzt eingebauten UW-Teil komplett anders aus. Kann gar nicht funktionieren, und somit klappt der Antrieb jedesmal hoch, sobald der Propeller rückwärts schiebt. Ich habe das Problem derweil zwar durch ein Workaround provisorisch behoben, so daß jetzt auch Rückwärtsfahrt wieder funktioniert, aber das übelste Murkelei und kann eigentlich keine Dauerlösung sein.

Nachdem das erledigt war, waren wir eigentlich soweit, daß wir eine Probefahrt machen, und im Erfolgsfall dann anschließend nach Richards Bay segeln wollten. Wir warfen die Leinen los, fuhren rückwärts aus der Box und als ich vorwärts durch die Boxengasse fahren wollte, passierte: Nichts. Kein Vortrieb, und der Antrieb ließ sich nicht mehr schalten. Wir drifteten langsam auf die andere Seite der Boxengasse, machten da vorläufig quer vor ein paar Booten fest und riefen einen der Marineros herbei, der uns dann mit einem kleinen Arbeitsboot wieder zurück an unseren Steg schob.

In der Zwischenzeit hatte ich ein ganz klein wenig ungehalten Jonathan antelefoniert und ihm die Situation geschildert, und während wir auf seinen Mechaniker Gavin warteten, versuchte ich rauszufinden, was eigentlich passiert war. Es stellte sich raus, daß sie beim Wieder-Zusammenbau wohl das Schaltkabel in der Schaltbox nicht richtig gesichert hatten, jedenfalls lag es lose drin als ich sie aufmachte,  der Befestigungsbolzen fiel mir entgegen und von dem eigentlich da hingehörenden Sicherungssplint war nichts zu sehen.

Das repariert, bevor Gavin auch nur auftauchte, trat das nächste Problem auf als wir einen erneuten Test starteten: Sobald der Schalthebel auf „voll zurück“ gestanden hatte, ließ er sich nicht mehr auf „vorwärts“ schieben. Was widerum daran lag, daß sich der Sicherungssplint am anderen, hinteren Ende des Zuges innen an der Abdeckung des Antriebs verkeilte, weil sie einen zu langen Sicherungsbolzen verwendet hatten. Auch das hatten wir irgendwann erledigt und als Jonathan sich schon gerade erleichtert davon machen wollte, habe ich ihn dazu verdonnert, für die Dauer einer Probefahrt an Bord zu bleiben, mit der Aussicht auf ein kühles spontanes Bad im Hafen, sollte jetzt wieder irgendwas nicht wie geplant funktionieren.

Gesagt, getan. Wir fuhren die Boxengasse hinunter zum Hafenbecken, drehten dort eine Runde, bis uns ein Container-Frachter direkt in den Weg geschoben wurde, und fuhren zurück in Richtung unseres Liegeplatzes. Just, als ich Gavin auf einem Steg absetzen wollte, nachdem anscheinend nun endlich soweit alles ok zu sein schien, und dafür aufstoppte, mußte ich feststellen, daß das Boot fröhlich weiter voraus driftete, anstatt nennenswert langsamer zu werden. Motor lief, Antrieb ließ sich schalten, aber das war’s auch. Kein Vortrieb mehr, kein aufstoppen …

Wir konnten vermeiden, in die da festgemachten Boote zu rauschen, weil ich ohnehin langsam unterwegs gewesen war, aber das war dann so der Punkt, an dem ich sozusagen echt die Schnauze voll hatte. Wie sich beim Blick unter die Badeplattform zeigte, war der Propeller verschwunden!

Diese beiden Künstler wursteln monatelang an dem Antrieb rum, brauchen drei Anläufe mit Anlandstellen, bis er endlich wieder am Boot sitzt, und vergessen dann sowas profanes, wie den Propeller oder auch nur den Schaltzug ordnungsgemäß zu sichern, so daß die bei der ersten sich bietenden Gelegenheit abfallen?? Da stelle ich mir doch die Frage, wie sorgfältig sie wohl bei der Überholung des Antriebs selbst gearbeitet haben mögen …

Unabhängig  davon, daß nicht ich das verkackt habe und ich mich eigentlich gelassen zurücklehnen könnte, bis sie mit einem Ersatz-Prop auftauchen, ist in ganz Südafrika zu allem Überfluß anscheinend kein passender Propeller für diesen antiken Antrieb mehr aufzutreiben, selbst gebrauchte scheinen Mangelware zu sein, wie meine Anfragen bei diversen Anlaufstellen ergaben.

Knapp 10 Tage später kam von Jonathan zwar die Ansage, „ich habe einen gefunden, der sollte eigentlich nächsten Montag hier eintrudeln“, aber passiert ist seither immer noch nichts; nicht daß ich davon überrascht wäre. Ich habe jetzt sicherheitshalber selbst einen in Deutschland gekauft, da scheint das doch deutlich einfacher zu sein als hier, dafür geht jetzt das Chaos mit dem Versand wieder los. Und das ausgerechnet zur Vorweihnachtszeit, hurra!

Abgesehen von dem ganzen Boots-Chaos geht das Leben hier seinen Gang.  Allmählich wird es wieder wärmer, und auch wenn das Wetter hier die letzten Tage immer mal wieder zwischen 33°C mit oder ohne Wind und 18°C  mit mehr Wind und Regen wechselte, man merkt, daß der Sommer kommt. 

Zwischenzeitlich waren wir erneut in Pretoria bei Lou’s Familie, haben zudem eine Gelegenheit genutzt und „für später“ ein Stück Land in Mpumalanga gekauft, und müssen nun irgendwann mal eine Entscheidung treffen, wie es von hier aus weitergehen soll, sofern dieses Reparaturchaos tatsächlich irgendwann überstanden ist. Zurück nach Richards Bay und einen dauerhaften Liegeplatz suchen, oder doch eher Richtung Capetown und von da aus eventuell weiter, wie mal ursprünglich geplant?

Klar, ich wäre immer noch lieber in der Karibik oder in Panama als hier am indischen Ozean, aber nach den beiden erlittenen Knockdowns im Laufe der letzten 12 Monate wachsen in mir die Zweifel, ob ich den Törn dahin physisch und psychisch noch packe. Meine Streßresistenz hat jedenfalls ziemlich gelitten, wie ich feststellen mußte. Das letzte was ich gebrauchen kann ist, daß ich irgendwo auf See erneut zusammenklappe und Lou dann allein im Nirgendwo sitzt. Solange ich allein war, habe ich solche Gedankenspiele relativ fatalistisch gesehen: Wenn’s passiert, isses eben so.

Aber ich bin jetzt nicht mehr allein oder nur für mich selbst verantwortlich, was die ganze Sache für mich verändert hat. Wobei ich zugeben muß, es ist nicht der Törn über’s offene Wasser nach Brasilien, der mich persönlich unruhig macht. Der ist in Seglerkreisen als „Milkrun“ bekannt und allem darüber Gelesenen und Gehörten zufolge das beste Stück Ozeanüberquerung, das man im Zuge einer Weltumsegelung erwarten kann.

Meine Bedenken treffen eher die Küstensegelei von hier bis runter nach Kapstadt. Die Südküste heißt nicht umsonst „Wild Coast„, und Bartolomeo Diaz hatte sicher einen Grund, das Kap „Cabo de Tormentas“ (Kap der Stürme) zu nennen, bevor sein König es aus Marketinggründen stattdessen in „Kap der guten Hoffnung“ umbenannte. Mit heutiger Technik ist es nicht mehr so gefährlich wie früher, und dank Satellitentechnik ist jederzeit aktuelles Wetter an Bord kein Thema mehr, aber trotzdem … eine gewisse Restunsicherheit besteht.

Als ich 2018 auszog, um auf dem Boot zu leben und was von der Welt zu sehen, war ich davon ausgegangen, daß das im Idealfall so 5-8 Jahre dauern würde. Realistisch betrachtet, habe ich zwar vom Rest der Welt immer noch nicht so unheimlich viel gesehen, aber ich habe inzwischen immerhin über viereinhalb Jahre auf diesem Kahn gelebt, war ungebunden, konnte tun und lassen was ich wollte, und habe meine Freiheit genossen. Es gab viele Höhen und Tiefen, dramatische Veränderungen und ungeahnte Hürden, die mir bzw. später uns in den Weg geworfen wurden, aber es macht immer noch Spaß. Jedenfalls meistens …

Aber ich weiß auch, daß Lou nicht unbedingt mit dem Traum angetreten ist, mit mir „in die Welt hinauszusegeln“, als sie hier einzog. Die Aussage ist zwar, „ich gehe dahin wo du hingehst“, aber ich weiß genauso, daß sie davon träumt, irgendwo ein Haus zu haben, einen kleinen Garten mit Obstbäumen, Gemüse und vielleicht ein paar Reihen Mais, und irgendwann dort zu leben. Dieser Teil der afrikanischen Mentalität hat sich mir erst nach und nach erschlossen, zugegeben. Ich war nie ernsthaft davon ausgegangen, in Südafrika final seßhaft zu werden, obwohl sie mich hier vor Jahrzehnten schon eingebürgert haben und zumindest irgendwelche Visa-Fragen kein Problem wären; irgendwie hatte ich meine Zeit hier immer als Durchgangsstation gesehen. Aber nu ja, irgendwie kommt es doch meist anders als gedacht.

Der Anfang ist gemacht, wir haben einen halben Hektar Stammes-Land für einen eher symbolischen Preis erstanden, wenn auch 800km von der Küste entfernt, und könnten da bauen. Es gibt einen Stausee in 3km Luftlinie davon, und notfalls könnte ich immer noch das Dinghy da reinwerfen und segeln oder angeln gehen, wenn mir das Landleben langweilig wird :-) Also wer weiß, wie  das ausgeht …

Ich werde wohl gelegentlich mal ein Exposé über Thelxinoe verfassen und auf meine Boote-Homepage stellen. Und wenn sich dann jemand findet, der schon immer einen hochseetauglichen und top ausgestatteten Katamaran für vergleichsweise überschaubares Geld gesucht hat, um damit die Welt zu besegeln, warum nicht. Ich hatte meinen Spaß damit und habe einen guten Teil meines Traumes gelebt, und ob wir nun noch in die Karibik segeln oder nicht, wird sich zeigen.

Was gab es sonst noch Neues? Die Liste der Ausfälle an Bord wird länger, aber das ist ja nicht wirklich neu.

So wird seit ein paar Monaten der 2020 eingebaute Garmin Fishfinder-Transducer vom Plotter nicht mehr als  solcher erkannt sondern nur noch als „unknown transducer“ aufgelistet, worauf hin wir nunmehr ohne visuelle Information über etwa unter dem Boot rumschwimmende Fische oder die Wassertemperatur auskommen müssen. Hier im Hafen ist das vertretbar,  da eh niemand freiwillig ins Wasser geht und angeln sowieso verboten ist, aber bevor wir irgendwo anders hinsegeln, werde ich den wohl besser ersetzen.

Sowohl das verbaute, als auch das Ersatz-Relais für die Vorerreger-Spannung der Lichtmaschine stellen sich tot. Das waren lt. Karton originale Hella 40A Arbeitsstrom-Relais, die ich in Richards Bay gekauft hatte. Keine Ahnung ob die mir billigen China-Ramsch in gefaketer Verpackung untergejubelt hatten.

Von meinen beiden 2020 verbauten Diesel-Pumpen, die den Inhalt der beiden 105L-Tanks in den Cockpitbänken in den Tagestank umfüllen sollen, funktionierte beim ersten tatsächlichen Funktions-Test neulich auch nur eine so wie geplant. Die andere wird nur heiß, macht aber nix, scheint also festgefressen zu sein. Dolle Wurst …

Dafür schwappten am Ende des Tages nach diesem Umpump-Versuch rund 100L Diesel und/oder Wasser in der Backbord-Heckbilge rum, weil irgendwann während des Testlaufs mit Gavin versehentlich die Pumpe eingeschaltet worden war und unbemerkt munter den bereits vollen Tagestank zum überlaufen gebracht hatte, bevor mir das Tickern endlich auffiel. Argghhh …

Es wird also nicht langweilig. Irgendwas ist immer, selbst wenn man gar nicht in der Gegend rumsegelt :-)

Tja, das Jahr ist rum, und wir hängen immer noch in Durban ab. Anfang Dezember war ich noch einmal, dieses Mal allein, für eine gute Woche in Deutschland, um den Verkauf meines Hauses abzuwickeln und meine restlichen Habseligkeiten woanders zu verstauen, habe einen neuen Propeller, Ersatzdieselpumpen und sonstige Ersatzteile mitgebracht, und nun kurieren wir beide eine üble Bronchitis aus, die uns Heiligabend erwischt hatte und uns am Tag vor Silvester dazu bewog, mal lieber jemanden in der Notaufnahme des Entebeni-Hospitals draufgucken zu lassen, da das immer schlimmer wurde und (zumindest bei mir) der  Verdacht aufkam, daß es vielleicht doch Covid sein könnte. War’s dann allerdings nicht, und nachdem sie uns geröntgt, untersucht und mit Antibiotika und Vitaminen vollgepumpt hatten, machten wir uns wieder auf den Weg zurück aufs Boot. Der Jahreswechsel an Bord verlief dann auch relativ unspektakulär.

Rückwirkend betrachtet, war 2022 für mich/uns ein Jahr zum abhaken, ein wirklich verplempertes Jahr ohne erwähnenswerte Höhepunkte abgesehen davon, daß wir tatsächlich aus Richards Bay weg gesegelt sind und ein paar Monate in Europa verbracht haben; ein Jahr, das einfach nur viel Geld und Nerven gekostet hat. Was immer 2023 auch bringen mag, ich kann echt nur hoffen, daß es nicht so weitergeht wie bisher, sondern wieder besser wird. Wir arbeiten dran …   ओम नमः शिवाय

p.s.: Ein erster kleiner Schritt zu mehr Häuslichkeit ist immerhin schon getan: Lou hat jetzt einen Bord-Garten und baut Paprika und Kräuter an :-)

2 Gedanken zu „quo vadis?“

  1. Hallo
    Schade wenn du dein Boot verkaufts ohne den tollen Suedatlantik genossen zu haben. Deine Erlebnisse in SA kann ich gut nach vollziehen, ich war 2012/13 dort und habe die Qulitaet des oertlichen Handwerks kennengelernt. Zum Glueck war wenigstes das Essen gut und das Trockenfleisch als Zwischenverpflegung auf dem Boot lecker.
    Den Toern entlang der Ostkuest habe ich auch von Richards Bay mit Zwischenhalt in Durban und dann weitere in East London, Port Elizabeth und einem Ankerplatz kurz vor Cape Agulhas gesegelt. Einen laengeren Aufenthalt in Simonstown und kuerzer in Kapstadt und dann schlechte aber teure Arbeit in Saldanha Bay. Der Yardmanager hat fristlos gekuendigt und wir standen, da nur er den Travelift bedienen konnte, eine Woche hoch und trocken bis ein Kranfuehrer aus Italien eintraf.
    Der Toern ueber den Suedatlantik moechte ich nicht missen, von Luederitz uber St. Helena nach Recife und dann weiter Fortalezza, Franz. Guyana nach Chaguaramas /Trinidad. Dort konnte ich die Gewerke aus Suedafrika gut und dauerhaft reparieren lassen. Uebrigens kein schlechter Platz um einen Kat zu verkaufen. Zum Inserieren z.B. catamaransite.com
    Also, darf ich schreiben Kopf hoch und lass dir die Freude am Boot nicht verderben.
    Mit Seglergruessen
    James

    1. Hi James,
      /Schade wenn du dein Boot verkaufts ohne den tollen Suedatlantik genossen zu haben/
      Ganz so weit sind wir nun noch nicht :-) Aber momentan bin ich wirklich offen in jede Richtung, in die sich das entwickeln mag.

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