Bis ans Ende der Welt …

Der Eine oder Andere mag es mitbekommen haben: Seit zwei Wochen oder so bin ich, erstmals seit Jahrzehnten, Motorrad-los. Nachdem ich meine VN1500CT  ein gutes Vierteljahrhundert gefahren, und in letzter Zeit wirklich lange daran herum akadiert hatte, sie gegebenenfalls in einen Container zu stecken und nach Durban zu verschiffen, hat die Ratio gegen die Emotio gewonnen und ich habe sie stattdessen verkauft. Nicht nur, daß die Transportkosten von Deutschland hierher in keiner irgendwie Sinn ergebenden Relation zum Fahrzeugwert gestanden hätten, spielte auch die Hanglage unseres Grundstücks hier eine Rolle. Drei Neunzig-Grad-Ecken und zwei Tore auf 20m am Hang, um die Garagenzufahrt hoch- oder runter- zu kommen, sind mit dem Auto zwar kein ernsthaftes Problem, mit diesem 350Kg-Klotz muß ich das angesichts meines fortgeschrittenen Alters aber nicht mehr unbedingt haben 😎

Nun ist sie also weg, ist meine treue Classic Tourer. Die 1000er Versys, die ich als Alternative angedacht hatte und die mir vor ein paar Wochen hier bei „Gumtree“, dem hiesigen Kleinanzeigen-Onlineportal über den Weg gelaufen war, war inzwischen zwar längst wieder daraus verschwunden und somit wohl verkauft, aber irgend etwas „frischluft-fahrmäßiges“ sollte wieder her, also flugs die Rubrik gewechselt und siehe da:

Da findet sich doch was …

Audi A5 2.0TFSI Cabrio Multitronic. Fünfzehn Jahre alt, aber in Top-Zustand mit kompletter Servicehistorie bei Audi, zwei Jahren Gebrauchtwagen-Garantie, frischer Inspektion und einschließlich Zulassung durch das Audi Centre auf uns, für einen recht überschaubaren Preis. Mok wi …

Der stand nun zwar ein wenig weiter entfernt, nämlich beim Audi Centre Claremont in Kapstadt, aber was soll’s. Hierher nach Durban transportieren zu lassen wäre sicher die billigere Lösung gewesen, aber da mein angetrautes Eheweib mich dezent darauf hinwies, daß wir unsere 2021 eigentlich dorthin geplante Hochzeitsreise bisher ja immer wieder verschoben hatten, beschlossen wir, ihn selbst abzuholen und die Überführung dann als Roadtrip in Etappen entlang der Küste zu gestalten.

Ich habe uns OneWay-Flüge nach Capetown gebucht, jeder hat einen Rucksack mit dem Nötigsten für eine Woche gepackt, und letzte Woche Freitag haben wir den Audi in Claremont übernommen.

Für eine erste Übernachtung hatten wir uns in einem Bed & Breakfast in Hout Bay Harbour an der Atlantikküste eingemietet, und Samstag morgen starteten wir zu unserer Tour über knapp 2.000Km an der Küste entlang zurück nach Durban.

Abendstimmung in Hout Bay. Die getüpfelte Linie am Berg entlang ist der Chapman’s Peak Drive, der rund um den Berg bis zur False Bay führt.

Die erste Etappe ging direkt von Hout Bay über den Chapman’s Peak Drive …

Uns so sieht das bei Sonnenschein von der anderen Seite der Bucht aus.
Chapman’s Peak Drive. Immer an der Wand lang. direkt am Ozean …

bis nach Muizenberg, von dort am Strand entlang rund um die False Bay bis nach Stony Point, wo die Hauptattraktion eine Kolonie von Zwergpinguinen darstellt, die mehr oder weniger regungslos am Strand rumstehen. Ich schätze, wenn man tatsächlich eine der z.B. auf Tripadvisor zu findenden Bus-Tages-Touren von Capetown aus hierher für den Schnäppchenpreis von gerade mal 220€ pro Person gebucht hat, und dann vor einer Schar drolliger, aber weitgehend unbeweglicher  Mini-Frackträger steht, deren Unterhaltungswert vermutlich auch für Kids nach ein paar Minuten gegen Null tendiert, stellt sich mancher sicher die Frage „Hmm, das war’s jetzt schon?“ Alles in Allem nett, aber eher unspektakulär.

Der Rest der Tagesetappe brachte uns, pünktlich zum Sonnenuntergang, ans Ende der Welt.

Naja, zumindest zum südlichen Ende von Afrika bei Cape Agulhas, mit dem Atlantik auf der einen, und dem Indischen Ozean auf der anderen Seite.

Lou & Martin vor dem Leuchttum am Ende der Welt …
Leuchttum, Cape Agulhas

Für Sonntag hatten wir eigentlich geplant, bis nach Mossel Bay zu fahren und dort zu nächtigen. Als wir am frühen Nachmittag dort ankamen, wurde uns allerdings kundgetan, daß ausgerechnet an diesem Wochenende ein Ironman-Lauf stattfand und  so gut wie alle verfügbaren Quartiere belegt sein dürften. Und da ich irgendwie bei der Buchung morgens mit meinem Kalender ins Trudeln geraten war und versehentlich erst ab Montag reserviert hatte statt für Sonntag, auch das von uns eigentlich geplante Übernachtungsquartier. Dumm gelaufen, aber es war ja noch früh am Tage, also beschlossen wir, bis Knysna weiter zu fahren und es dort zu versuchen.

Gute Entscheidung. Wir bekamen problemlos Unterschlupf in der Abalone Guest Lodge in Knysna, auch wenn wir nur eine, statt wie eigentlich angedacht zwei Nächte buchen konnten.

Abalone Guest Lodge, Blick über die Lagune von Knysna

Montag ging es nach Zwischenstops am „höchsten Bungee-Jump der Welt“ an der Bloukransbridge und einem Kurzabstecher zum Strand in Plettenberg Bay, durch den Tsitsikamma-Nationalpark weiter nach St. Francis Bay, wo wir uns direkt am Hafen in den ShipsBell Appartments einmieteten und einen Pausentag einlegten. 

Frühstückspause an einem „Farm Stall“ irgendwo im Nirgendwo an der N2
Plettenberg Bay. Und nein, die Statistik im Bild sagt nix über die Anzahl der von Weißen Haien angenagten Touristen aus, nur über die Anzahl der Sichtungen je nach Monat :-)
Strandbewohner: Sieht von weitem aus wie ein Baumwoll-Strauch …
… ist bei näherer Betrachtung aber ein Baum voller puscheliger Federviecher

Auf den Sprung von der Brücke habe ich auch dieses Mal, wie auch schon 2018 während der Sharan-Tour mit Andi, verzichtet. Lou war auch nicht wirklich zu überzeugen, sich von einer Brücke zu stürzen, also ging es nach einem Cappucino und ein paar Pommes zügig weiter.

Uuund Hopp ….

St. Francis Bay ist ein fünftausend-Einwohner-Kaff an der Garden Route zwischen Knysna und Port Elisabeth. Außer einem Fischerei-Hafen mit angeschlossener Marina, einem Leuchtturm und einer kleinen Mall gibt es hier wirklich herzlich wenig zu sehen, was aber zweifellos auch seinen Reiz hat. Mag sein, dass in der Hochsaison mehr Trubel herrscht, aber während unseres Aufenthaltes war es jedenfalls angenehm ruhig und so gut wie nichts los.

Blick vom Balkon in die Marina
RELAX!

Die Mittwochs-Etappe war, mit gut 400Km, die bis dahin längste der Tour. Von St. Francis über die N2 nach East London, vorbei an Gqeberha (Port Elisabeth) und Grahamstown, landeten wir schließlich in Beacon Bay, wo wir die Nacht in einem Rondavel der Europa B&B guest lodge verbrachten.

Bis hierhin hatten wir mit dem Wetter so richtig Glück gehabt: Chandre, der Audi-Verkäufer bei Claremont, hatte uns noch erzählt, daß der Freitag unserer Ankunft dort der erste Tag in der ganzen Woche sei, wo es mal nicht gestürmt und geregnet habe. Bis East London ist uns das gute Wetter hold geblieben, so daß wir die gesamten gut 1000Km  bei strahlendem Sonnenschein und bis zu 30°C offen cruisen konnten. (Woraufhin ich mir, trotz permanentem Basecap-Einsatz, prompt das Fell auf der Nase versengt hatte)

Der Donnerstag hingegen begann mit Nieselregen, der im Verlauf des frühen Vormittages immer dichter wurde und irgendwann in dichten Nebel überging. Nix war’s mehr, mit offenfahren, und als die Suppe irgendwann zu dick wurde und die Sichtweite auf 50m runter war, haben wir uns für eine Viertelstunde an den Straßenrand gestellt und abgewartet, bis es wieder etwas lichter wurde.

Nieselnebel vom Feinsten …

Egal, auch das ging vorüber und auch wenn der Tag deutlich weniger sonnig war als die vorhergehenden, blieb es immer noch ein paar Stunden lang warm und trocken genug, um oben ohne zu fahren. Auf diesem Streckenabschnitt hatten wir schon 2018 die meisten Höhenmeter pro Tag gesammelt, und auch wenn die N2 immer noch mit Baustellen übersät ist, kamen wir einigermaßen voran. Mit dem Sharan waren wir damals teilweise im zweiten Gang die Berge hoch gekrochen, weil das Ding hoffnungslos überladen war; der Audi tat sich hier doch deutlich leichter und ermöglichte uns zügiges Vorankommen :-)

Wir waren extra früh losgefahren, morgens um 7h00 statt wie sonst erst gegen 9h00, weil der kommende Streckenabschnitt im Grunde genommen tiefste Provinz ist und ich Strecke machen wollte. Im Blog über die Tour 2018 hatte ich geschrieben, daß wir wohl auf 500Km keinen einzigen Weißen gesehen hatten, und das war dieses Mal auch nicht anders. Die Strecke ist zwar landschaftlich schön und (im Gegensatz zu damals) auch ziemlich grün, aber in erster Linie auch nur genau das: Landschaft, grün. Sonst nix. (Außer Dutzende Baustellen und alle paar Kilometer ein langgezogenes Dorf).

Apropos Baustellen: So sieht eine typische südafrikanische Baustellen-Ampel am Freeway N2 aus:

Wie man sieht, ist gerade ROT :-)
… und GRÜN. Zwei Leute schubsen die Absperrungen von einer Fahrbahnseite auf die andere, drehen das STOP-Schild auf GO, und ein oder mehrere Ortsansässige versuchen, den zwangsangehaltenen Autofahrern Vetkoeks, Obst oder sonst irgendwas zu verscherbeln, während diese vor sich hin warten.

So eine Baustelle kann dann auch schonmal ein paar Kilometer lang sein, und dann dauert es auch gerne mal zwanzig Minuten, bis sich irgend etwas bewegt. Normalerweise stehen am Anfang, mittendrin und am Ende je ein bis n Mädels in der Gegend rum, die gelangweilt eine Fahne schwenken damit auch jeder merkt, daß hier eine Baustelle ist, selbst wenn nur der Seitenstreifen gemäht wird. In Deutschland gibt’s für sowas extra Warnfahnenschwenk-Automaten, hier ist es wohl schlicht billiger, ein paar Leute an den Straßenrand zu stellen und ihnen eine Warnweste und eine Flagge in die Hand zu drücken.

Weiterer Unterschied zu Deutschland: Wenn man hier durch eine Baustelle fährt, sieht man tatsächlich eine der Baustellengröße angemessene Anzahl Leute arbeiten, selbst am Sonntag …

Eigentlich hatte ich einen weiteren Stop in Kokstad oder irgendwo in der Gegend um Margate oder Port Shepstone eingeplant, je nachdem, wie sich Verkehrs- und Wetterlage und meine persönliche Verfassung im Lauf des Tages entwickeln würde, aber wir waren besser vorangekommen als angesichts des morgendlichen Bodennebels zu erwarten gewesen war, und da es meine Frau nach Hause drängte, sind wir kurz vor Kokstad rechts abgebogen um der N2 weiter zu folgen und machten uns auf den Abstieg Richtung Port Shepstone, ab wo die N2 wieder direkt an der Küste entlangführt.

ganz viel Landschaft hier …

Drei Stunden später waren wir wieder zuhause. Abgesehen davon, daß sich das CreepyCrawly-Saug-Dingsbums an einem der Auslässe im Pool festgebissen hatte und somit wohl die ganze Woche nur gefiltert, aber nicht gestaubsaugt wurde und der Poolgrund entsprechend „staubig“ aussieht: Keine besonderen Vorkommnisse.

Resümee der ganzen Aktion: Ein geiler Trip! Wir hatten echtes Glück mit dem Wetter, es war wenig Verkehr, die Baustellen haben nicht all zu sehr genervt und das Auto hat auch problemlos mitgespielt. Dank Tempomat (den habe ich damals im Sharan in der Tat schmerzlich vermißt) sind wir die meiste Zeit mit 95-115Km/h und offenem Verdeck in der Gegend rumgecruised, wobei sich der Audi trotz der ganzen „Gebirgsstrecken“ mit durchschnittlich 8.2L Super auf 100Km begnügt hat. Die Tour verlief zwar im Großen und Ganzen auf derselben Route wie damals mit dem Sharan, aber wir haben andere Zwischenstationen eingelegt und ein paar Orte zu Gesicht bekommen, die wir beide noch nicht kannten.

Als wir losfuhren, war meine letzte Chemo-Sitzung drei Wochen her und es ging mir soweit ganz gut. Das war 2018 auch nicht soo viel anders gewesen, da hatte ich allerdings Andi dabei, der einen guten Teil der Fahrerei übernommen hat. Dieses Mal war ich auf mich allein gestellt und war mir nicht so 100pro sicher, wie ich das gesundheitlich durchstehen würde. Schließlich sollte das ja sowas wie Urlaub werden statt nur ein Überführungstrip, deswegen auch deutlich kürzere Etappen, mehr Pausen und mehr Sightseeing, als 2018 mit dem Sharan.

Es ging alles glatt, ich hatte nie den Eindruck als müßte ich jetzt ganz dringend vor Erschöpfung eine Pause einlegen oder den Törn abbrechen, und der zusätzliche Ausruhtag mittendrin war sicher auch kein Fehler. Die 645Km am letzten Tag waren auch noch gut machbar, ganz viel mehr hätte es allerdings dann auch nicht mehr sein müssen. Bevor wir sowas nochmal veranstalten, schicke ich Lou aber lieber los, endlich den Führerschein zu machen :-)

Und auch wenn ich noch nie so oft in einer Woche von der Polizei kontrolliert wurde wie diese Woche, so hatten sie alle nichts auszusetzen nachdem klar wurde, daß der Din-A4-Zettel an der Windschutzscheibe tatsächlich eine gültige temporäre License ist (gehört normalerweise an die Heckscheibe, was aber bei versenktem Verdeck logischerdings keinen Sinn macht) und ich einen gültigen Führerschein vorzeigen konnte, und wünschten uns lediglich eine gute Weiterfahrt.

Klar, finanziell macht eine Überführung auf eigener Achse nur sehr begrenzt Sinn. Zwei Flüge von hier nach Capetown kosten gerade mal 90€ und man ist in zweieinviertel Stunden da, wenn man einfach nur da hin will, und für 400€ hätten sie mir das Ding auch bis vor die Tür gebracht. Aber es ging ja um den RoadTrip an sich, und der war es wert. Alles gut :-)

 

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.