Abgeschossen

Der letzte Beitrag ist, zugegeben, schon wieder eine Weile her. Was nicht zuletzt daran lag, daß es zum Einen wenig berichtenswertes gab, und mir zum Anderen auch ein wenig an Motivation gemangelt hat, hier was in die Tastatur zu picken, nur um irgend etwas  geschrieben zu haben.

Um es vorwegzunehmen: Stand letzten Mittwoch war unser Antrieb noch immer nicht wieder funktionsfähig. Zwar wieder montiert, und auch der Motor stand wieder an seinem angestammten Platz, hakte die Fertigstellung dann allerdings wieder mal an den letzten „geringfügigen Kleinigkeiten“, so daß der Kahn nun immer noch in Durban am Steg liegt.

Lou und ich sind allerdings derzeit nicht mehr an Bord. Eigentlich wollten wir ja dem südafrikanischen Winter aus dem Weg gehen und drei Monate in Europa verbringen. Also habe ich, nachdem auf der Website der deutschen Botschaft zu lesen war, daß die Erteilung eines Schengen-Visums normal zwischen 10 und 14 Tage dauert, frühzeitig Anfang April angefangen, mich bei TLS in Durban um einen Termin für das Procedere zu bemühen. Seit einiger Zeit wird das ganze Drumherum der Visa-Sache nämlich nicht mehr vom Konsulat selbst gehandhabt, sondern ist an eine externe Firma outgesourced, die passenderweise ebenfalls in Durban sitzt und die wir vor ca. einem Jahr schon einmal (vergeblich) aufgesucht hatten.

Scheinbar ist diese externe Firma aber total ausgelastet, denn der frühestmögliche buchbare Termin war Anfang Mai. Um ein Schengenvisum zu beantragen, muß man eine entsprechende Reisekrankenversicherung nachweisen, und um diese irgendwie sinnvoll abschließen zu können, macht es Sinn, das Reisedatum und den Zeitraum schon mal festzulegen. Also habe ich zwei Flüge von Johannesburg nach Frankfurt am 25.5. inklusive Rückflug Ende August gebucht, den gesamten Visum-Antrag ausgefüllt und eine RKV für Lou abgeschlossen.

So ausgerüstet mit RKV-Nachweis, eTickets, den Originalen und Kopien von Heiratsurkunde, Pässen und allem sonstigen geforderten Zeugs machten wir uns am 5.5. auf den Weg zu TLS, der bearbeitenden Firma, um für Lou ein Visum zu beantragen und ihre dafür erforderlichen biometrischen Daten erfassen zu lassen.

Abgesehen von dem Umstand, daß sie als Antragstellerin nur allein eingelassen wurde während ich draußen warten mußte, lief das soweit glatt ab, so daß wir froher Hoffnung waren, innerhalb der nächsten 2 Wochen ihren Reisepaß samt Visum zurück zu erhalten. Abholung sei Coronabedingt nicht möglich, geliefert wird obligatorisch per Kurier, hieß es. Angesichts des Umstands, daß die Firma TLS von der Marina aus innerhalb von 10 Minuten  mit dem Taxi zu erreichen ist, war das eher blöd, ließ sich aber nicht ändern.

Das war natürlich ein leichter Unsicherheitsfaktor, da wir ja eigentlich die Absicht hatten, das Boot vor unserem Abflug noch nach Richards Bay zu segeln, schlichtweg weil der Liegeplatz dort nur ein Viertel soviel kostet. Aufgrund der bisher in Durban gemachten Erfahrungen war das aber ein Vorhaben mit ungewissem Ausgang, also gaben wir als Rücksendeadresse unseren Stegplatz in der Marina in Durban an.

Nach 14 Tagen fing ich an, leicht unruhig zu werden. Auf der online-Trackingseite war immer noch zu lesen „Wird von der deutschen Botschaft bearbeitet“, ohne daß daß sich seit Tagen irgend etwas getan hätte.  Am Freitag abend dann endlich änderte sich der Status auf „per Courier auf dem Weg zu Ihnen“.

Dieser ominöse obligatorische Kurierservice wurde uns mit 285R (rund 17,50€) in Rechnung gestellt; für das Geld kann man in jedem PickNPay locker zwei (fast drei) 1Kg-Päckchen in eine Aramex Overnightcourier-Annahmebox werfen, und am nächsten Werktag sind sie landesweit beim Empfänger. Nicht in diesem Fall. Es wurde Samstag, es wurde Montag, und der Kurier war lt. Tracking-Info angeblich immer noch unterwegs.

Dienstag morgen schließlich tauchte er endlich auf. Um das Boot noch die 90 Meilen nach Richards Bay zu segeln wäre es jetzt eh zu spät gewesen, also war ich froh, den „Expressbrief“ endlich in den Händen zu halten. Alles gut, dachte ich, auch wenn der Kahn eben solange hier bleiben muß. Ist ja eh noch nicht fertig …

Bis ich den Umschlag öffnete: Er enthielt, neben Lou’s Paß, ein amtlich aussehendes Anschreiben mit der fetten Überschrift:

Ablehnung Ihres Visum-Antrages

Das war so der Punkt, an dem ich fast explodiert wäre. Die Botschaft bzw. TLS hatte zwei email-Adressen und zwei Telefonnummern von uns, und niemand kommt angesichts des Umstandes, daß unser genaues Abflugdatum klar und deutlich auf den eingereichten Unterlagen zu lesen war auf die Idee, womöglich per mail oder telefonisch Unterlagen nachzufordern falls wirklich was gefehlt hätte, sondern die schicken das ganze Ding erst zum letztmöglichen Zeitpunkt wieder zurück, so daß keine Zeit mehr bleibt, irgendwie sinnvoll zu reagieren?? Honi soit, qui mal y pense …

Das Anschreiben bestand aus einer Liste von anzukreuzenden Kästchen, bei denen unter anderem der Punkt „Sie haben nicht nachgewiesen, daß Sie über genügend Mittel verfügen, um während Ihres geplanten Aufenthaltes für Ihren Unterhalt aufzukommen“ angehakt war.

Nein, hatten wir nicht. War auch, nach Aussage des sehr hilfreichen deutschen Honorarkonsuls in Durban, mit dem ich vorher schon email-Kontakt hatte und den ich zu dieser Angabe im Antrag befragt hatte, für gemeinsam reisende Ehepaare, deren einer Partner ein Visum beantragt während der andere deutscher Staatsbürger ist, überhaupt nicht nötig und war auch von TLS nicht als fehlend bemängelt worden. Laut deren Protokoll waren Lou’s Antrag-Unterlagen komplett und es fehlte nichts. Dieser Ablehnungsgrund war also eigentlich schon dämlich genug; der Punkt der mich dann aber so richtig auf die Palme brachte war folgender:

„Es bestehen berechtigte Zweifel, daß Sie vor Ablauf Ihres beantragten Visums das Hoheitsgebiet [der Schengen-Staaten] wieder verlassen wollen. „

Bitte was? Es geht hier nicht um einen nigerianischen Wirtschaftsflüchtling, die/der womöglich gegen Gebühr gerade proforma eine Europäerin oder einen Europäer scheingeheiratet hat und durch „Familiennachzug“ dann ein Besuchs-Visum nutzen will, um in Deutschland Asyl oder eine Daueraufenthaltshenehmigung zu beantragen, sobald er/sie erstmal vor Ort ist, sondern um die südafrikanische Ehefrau eines Deutschen Staatsbürgers, mit dem sie seit über einem Jahr verheiratet ist, die permanent mit ihm lebt, und mit ihm zusammen (!) für ein paar Wochen nach Deutschland fliegen will. Nachweislich mit (vorgelegten) Rückflugtickets, Bahntickets, usw. und natürlich innerhalb des beantragten Visumszeitraums.

Es fehlen einem echt die Worte!

Natürlich kann man gegen diesen Bescheid Widerspruch einlegen, ist ja schließlich eine deutsche Behörde. Was ich innerhalb von zwei Stunden per email getan habe, um die Situation womöglich noch zu retten. Der parallel dazu um Hilfe befragte Konsul wies allerdings darauf hin, daß die Bearbeitung dieser „Remonstration“ bis zu drei Monate dauern könnte. Eine Stunde später kam eine mail von der Botschaft zurück, in der bedauert wurde, daß man mir dazu leider gar keine Auskunft geben könne, schließlich sei ich ja nur „unbeteiligter Dritter“ und die Antragstellerin müsse schon selbst Widerspruch einlegen.  Daß der gesamte Vorgang bis dahin über meine email-Adresse gelaufen war, spielte dabei anscheinend keine Rolle.

Wie auch immer, auch auf den Widerspruch von Lou höchst persönlich unter ihrer eigenen Adresse hin passierte in den nächsten Stunden nichts, und so nahmen wir 12h später einen Uber zum Flughafen und flogen wie gebucht nach Johannesburg. Ich stieg dort gefrustet in den Flieger nach Frankfurt, und Lou genauso unglücklich in den Zug, weiter nach Pretoria, um wenigstens eine Zeitlang mit ihrer Familie zu verbringen, wenn die deutsche Bürokratie sie schon nicht zu meiner reisen läßt.

Ich habe es dann drauf ankommen lassen: Sowohl in Johannesburg, als auch in Doha nach dem Zwischenstop, bin ich entgegen meiner sonstigen Handhabe nicht mit meinem deutschen, sondern nur mit dem südafrikanischen Reisepaß durch alle Kontrollen gegangen, ohne daß sich irgend jemand dafür interessiert hätte, ob da irgendwo ein Schengen-Visum eingestempelt ist oder nicht. Also bis Frankfurt wären wir zusammen wohl auf jeden Fall gekommen. Dort allerdings standen naturgemäß deutsche Bundespolizisten am Gate und wurden sichtlich unruhig, nachdem sie meinen Paß zweimal durchgeblättert hatten und gar kein Visum finden konnten.

Ich war so ziemlich der letzte gewesen, der aus dem Flugzeug stieg und nachdem ich dann schließlich meinen deutschen Paß vorgelegt hatte, habe ich die beiden in ein Gespräch über diese absurde Situation verwickelt. Nein, sie hätten Lou in der Tat nicht ohne Visum ins Land gelassen, konnten aber genausowenig wie ich nachvollziehen, warum die Ablehnung angesichts der vorgelegten Dokumente mit diesen abstrusen Begründungen erfolgt war. Das sei definitiv so nicht richtig gelaufen, beteuerten sie. Hilft mir jetzt aber gerade auch nicht viel und ist nur ein schwacher Trost.

Ich bin immer noch stinksauer. Und ich stelle mir ernsthaft die Frage, ob die Ablehnung mit dieser obkuren Begründung wohl auch so entschieden worden wäre, wenn meine Frau keine Schwarzafrikanerin, sondern eine Weiße wäre. Ich habe vorsorglich mal die Antidiskriminierungsstelle des Bundes um eine Stellungnahme zu diesem Vorgehen gebeten. Mal sehen, ob die eine Meinung dazu haben.

Wie auch immer, ich hocke jetzt in meiner Bude in Bodenwerder und versuche, wenigstens die längst überfälligen Projekte am Haus abzuarbeiten, wenn wir schon nicht gemeinsam Urlaub machen können. Habe in den vergangenen Tagen zusammen mit Andi die Küche fertig aufgebaut, den irgendwann vertorften Holzfußboden unter der Dusche rausgerissen, drei Kofferraumladungen voll antiken Elektroschrott wie z.B. meinen Mac Performa 630 und diverse Ataris, und den größten Teil der Akten im Arbeitszimmer entsorgt. Als Nächstes kommt wieder ein neuer Bad-Fußboden rein, und dann geht es an die Keller, auf daß diese Hütte irgendwann in naher Zukunft mal komplett vermietbar ist. Langweilig wird mir wohl vorläufig nicht werden, höchstens einsam, nachdem Lou und ich in den vergangenen anderthalb Jahren noch nie länger als ein paar Stunden getrennt waren. Komisches Gefühl …

Nein, die Küchenzeile steht gerade. Das ganze Haus ist schon seit der Verfüllung des zweiten Weserarms vor 75 Jahren aufgrund des abgesunkenen Grundwasserspiegels ein wenig schief …-
Lehmschlagdecken und Holzfußböden. Vermutlich gar kein Problem, solange man noch kein fließendes Wasser im Haus hatte oder wenigstens alles dicht war … Alte Häuser sind doch echt toll 🙄