Blutrausch an Bord

Richards Bay, 11.12.2015

Hohe Temperaturen sind eine Sache, eine dabei vorherschende Luftfeuchtigkeit von durchwegs über 85% eine andere. Schon am 2. Abend war mir aufgefallen, daß sich in meiner Kabine unerhört viele Mücken tummelten. Da ich am nächsten Morgen aber keine Beschwerden deswegen hatte, dachte ich noch frohgemut „na gut, ignorieren wir uns gegenseitig und alle sind glücklich“. Pustekuchen! Die hatten mich nur in Sicherheit gewiegt um sich in noch höherer Zahl zusammenzurotten und dann gemeinsam über mich herzufallen.

Einen Tag später sah ich aus, als hätte ich die Masern! Hab‘ sie nicht gezählt, aber so um die 6-800 Stiche an Armen und Beinen werden das wohl gewesen sein, und mein Bettlaken sah aus, als hätte ich [ok, zensiert], nur von den versehentlich zerquetschten Viechern, die sich bereits an mir gelabt hatten. Das letzte Mal daß ich jemanden so zerstochen gesehen habe, war Sara damals im Hilton in Ägypten (wo alle Mücken Hurghadas über sie hergefallen waren, während sie zwischen Jutta und mir schlief, und dann als einzige von uns dreien überhaupt gestochen wurde. :-) )

Bei den vorherrschenden Temperaturen mit geschlossenen Fenstern zu schlafen, ist echt keine Option. Ich gehe hier schon fast ein, obwohl alle Luken und Portlights offen sind und sich hin und wieder mal der Hauch eines Luftzugs ins Innere verirrt.

Da es mir nicht gelungen ist, irgendwo Gaze für die Fenster und Türen aufzutreiben, wurden die aufzuscheuchenden Viecher erstmal, soweit erreichbar, manuell massakriert, Abends eine Citronella-Petroleumlampe angezündet und vorsorglich alle erreichbaren Körperpartien mit einem Antimückizid imprägniert. Der Erfolg war, gelinde gesagt, überschaubar. Normalerweise stört mich umherschwirrendes Viehzeuchs im Schlafzimmer nicht die Bohne, aber wenn man alle 15 Sekunden direkt neben dem Ohr mindestens eine 3er-Formation rumsirren hört, ist das irgendwann echt lästig.

Schwereres Geschütz mußte also her: Immerhin bin ich wohl nicht der Einzige, dem die Viecher auf den Senkel gehen, daher bietet die südafrikanische Chemiewaffen-Industrie durchaus entsprechende Gegenmaßnahmen an. Zum Einsatz kam also ein flächendeckend einzusetzendes Produkt mit dem erfolgversprechenden Namen „DOOM“, nach dessen Anwendung ich mich vorsichtshalber für den Rest des Nachmittags nach draußen verzogen habe, bevor ich Türen und Fenster wieder öffnete. Für den Fall, dass dieses Kampfmittel noch etwaige Überlebende zurückgelassen haben sollte, hatte ich noch einen elektrisch verteilten Kampfstoff namens „Mortein“ erstanden und siehe da: Ruhe war’s!

Angeblich 30 Tage lang Ruhe vor dem Stechzeuchs
Angeblich 30 Tage lang Ruhe vor dem Stechzeuchs

Mal sehen, wie lange ich mich über den Sieg freuen kann. Wenn alles andere versagt, kann ich mir immer noch ein Mosquitonetz über der Koje anbringen :-)

 

… es soll niemand frieren ohne zu hungern …

Oder so ähnlich. Das war doch wieder sowas von vorhersehbar: Im Juli renne ich mir erfolglos die Hacken ab, um mangels Kochalternative eine Ersatzkartusche für den von Kirsten zur Verfügung gestellten Kartuschengaskocher zu finden und kaum habe ich Monate später einen funktionierenden Backofen/Herd samt 11Kg Gasflasche, stehen die Kartuschen beim Checker’s zu Hunderten im Regal rum.

Sei’s drum, bei den aktuellen Temperaturen macht Kochen im Boot eh keinen Spaß, und so kann ich mich gemütlich ins Cockpit setzen, die Rühreier direkt am Tisch braten und während der Frühstücksvorbereitungen auf den Sonnenaufgang warten.

Das war übrigens Sonntag morgen um halb sechs. Und das im Urlaub! Unglaublich :-)
Das war übrigens Sonntag morgen um halb sechs. Und das im Urlaub! Unglaublich :-)

Und vielleicht fällt ja auch mal der Strom aus, während ich gerade dringend Kaffee machen muß, dann wäre auch das kein ernsthaftes Hindernis mehr. (Südafrika scheint ein permanentes Problem mit der Stromversorgung zu haben, das die Regierung durch etwas namens „Load shedding“ zu beheben versucht. Was genau das sein soll, konnte mir bislang allerdings noch niemand so recht erklären. Nur daß es offenbar nicht wirklich zu funktionieren scheint.)

Warmes Essen ist hier an Bord ohnehin so ein Thema für sich. Nicht, daß ich diesbezüglich sonderlich verwöhnt wäre; mehr als 2 warme Mahlzeiten habe ich seit Jahren nicht auf den Tisch gekriegt (pro Woche wohlgemerkt, nicht etwa pro Tag), wenn ich nicht selbst hin und wieder gekocht oder mal beim Thai-Imbiss gestoppt hätte, und seit Juttas Auszug schon mal gar nicht, aber ganz offensichtlich lassen sich fehlende, sonst in fester Form zugeführte Kalorien auch völlig problemlos durch Kaffee,  Zigaretten und Gummibären kompensieren, wenn ich meiner Waage glaube. Wie auch immer: Hier ist es zwar eigentlich viel zu warm zum essen, andererseits juckt es mich natürlich doch, schon mal die eine oder andere lokale Konserve für den geplanten Törn „testzuessen“ und so gab es heute eine Dose „Rhodes Chakalaka mild & spicy“, ergänzt um ein paar „chicken-frikadels indian style“ von Woolworth’s.  (Haben die in Deutschland eigentlich auch eine Food-Abteilung? Die sind hier echt gut bestückt.)

Chakalaka mild & spicy
Chakalaka mild & spicy

Ergebnis: Yohoho! Die in D seit der vorletzten Fußball WM angebotenen Kartoffelchips „á la Chakalaka“ waren bei mir im Geschmackstest grandios durchgefallen und haben mit diesem Gebräu hier geschmacklich auch nicht das geringste zu tun. Dies war jedenfalls „echt leggä“.

Ich werde dann wieder berichten, sobald ich mal die noch im Schrank stehende Variante „hot & spicy“ getestet habe. Die jetzt getestete (und übrigens für „gut und mitnehmenswert“ befundene) geht für den typischen mitteleuropäischen Geschmacksnerv allerdings nur noch sehr eingeschränkt als „mild“ durch. Klappt vermutlich nur, wenn man unter seinen Lieblingslokalen einen noch nicht all zu sehr durch europäische Kunden „verdorbenen“ Inder oder Thai aufweisen kann :-)

 

Regattafieber

Der Tag verlief angesichts der immer noch exorbitanten Temperaturen relativ ereignislos. Bei über 40°C sehe ich mich schlicht außerstande, irgendwas sinnvolles mit mir anzufangen, geschweige denn am Boot zu arbeiten. Insofern kam mir Kirstens gestrige Einladung zur Teilnahme an der letzten diesjährigen Mittwochsregatta heute abend mit anschließender Besäuf Auswertung und Abschlußfeier sehr gelegen.

Der Hafenbereich von Richards Bay
Der Hafenbereich von Richards Bay

Gegen 17h war Treffen am Clubhaus, die Strecke wurde bekanntgegeben (es wurde lediglich innerhalb der Hafenbegrenzung gesegelt, was immerhin auch ein einigermaßen großzügiges Areal umfaßt) und die Crews auf die Boote verteilt. Ich wurde Kirsten zugelost, und zusammen mit zwei weiteren Erwachsenen und zwei Kids zwischen 10 und 14 stiefelten wir kurz vor 17h30 los, um Kirstens Boot klar zu machen, der uns den Liegeplatz beschrieben hatte.

Kirsten hatte als Regatta-Mitorganisator noch kurz anderweitig im Clubhaus zu tun, keiner von uns anderen war schon mal auf seinem Boot gewesen, und so brach sich, nach anfänglichem verdutztem Schweigen, schon das erste Mal schallendes Gelächter Bahn, als wir (anderen) das blitzblanke und ziemlich neu aussehende 15m-Boot geentert hatten und dabei waren die Segel vorzubereiten, auf dem Boot nebenan ein Kopf aus der Luke auftauchte und die Frage in den Raum stellte: „What the hell are you doing there??“ und, nachdem wir die Lage erklärt hatten, „This ain’t Kirsten’s boat, it’s the one next to it“ griente. Oh, falsches Boot. Naja, kann mal passieren 8-)

Nachdem wir dann alles wieder in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt hatten und das richtige Boot gefunden war (das übrigens auch ein paar Meter kürzer war und deutlich weniger blitzblank und neu aussah), tauchte auch Kirsten kurz danach auf und wir waren bereit zum Ablegen. Der Start war für 18h anberaumt und wir hatten noch etwa 1km Hafenbecken unter Motor zu durchqueren, um zur Startlinie zu gelangen. Nun ist Richards Bay quasi DER Kohlehafen an der südafrikanischen Ostküste, und niemand mit einem Boot über 3m Länge bewegt sich im Hafenbereich, ohne das vorher über Funk mit der Hafenbehörde abgeklärt zu haben. Kirsten verschwand also unter Deck um die Funkformalitäten zu erledigen und ward für 15 Minuten nicht mehr gesehen, dafür aber umso deutlicher gehört.

Was war passiert? Zwei Frachter waren im Hafeneingangsbereich unterwegs, und die Behörde verweigerte uns derweil die Ausfahrt aus dem ZYC-Hafenbereich in den Vorhafen, wo die Regattastrecke um einige der dort liegenden Tonnen gelegt war. Ende vom Lied: Wir kamen erst 5 Minuten nach der festgelegten Startzeit an der Startlinie an und segelten von Anfang an hinterher. Klar, daß wir letzte wurden. Kirstens Aussage zufolge war es allerdings trotzdem das einzige Mal in 2015, daß er eine Mittwochsregatta innerhalb der vorgesehenen Zeitspanne beendet hat, insofern also doch ein Erfolg, was das Köpfen der mitgenommenen Flasche Champagner nach dem Anlegen rechtfertigte. :-)

Was mich, als absoluten Regatta-Neuling ein wenig irritiert hat: Wir hatten gerade mal die Leinen losgeworfen, da wurde das erste „Ablegerbier“ ausgegeben, das nächste gab’s bei Erreichen der Startlinie und danach quasi nach jeder Wende ein weiteres. Nun bin ich ja eh nicht so der Biertrinker und hatte außer dem Frühstück auch  den ganzen Tag nix vorzeigbares gegessen, weswegen ich nach dem zweiten Bier dankend ablehnte und mich auf Mineralwasser verlegte, was mir einige ungläubige Blicke einbrachte, mir aber die Peinlichkeit ersparte, beim Anlegen über Bord zu fallen oder gar von Bord getragen werden zu müssen.

Bin wohl doch nicht so der harte Seebär, für den ich mich gehalten hatte 8-)

 

Heiß & kalt

Richards Bay, 08.12.2015

Das mit dem afrikanischen Sommer ist ja so’ne Sache. Einerseits hatte ich mich zwar gefreut, dem gerade hereinbrechenden deutschen Winter mit all seinen Schmuddeleien noch für eine Weile zu entgehen; auf das was mich hier erwartete, war ich allerdings trotz meiner (damaligen) Zeit in Jo’burg nicht so recht vorbereitet.

Irgendwann letztes Jahr hatte ich bei ebay ein halbes Dutzend zwergige Thermometer aus China (Stückpreis ungefähr 1.60 € incl. Versand) erstanden, von denen zwei den Weg aufs Boot fanden. Nachdem ich die erste Nacht an Bord irgendwie überlebt hatte (Temperatur morgens um 1h immer noch über 31°C 8-) ), bestand meine erste Aktion am nächsten Tag erstmal darin, die im Juni erstandene und für die damaligen Nachttemperaturen als durchaus adäquat empfundene Biber-Bettwäsche durch etwas tropentauglicheres zu ersetzen. Nächster Punkt auf der todo-Liste war die Inbetriebnahme das vorhandenen Kühlschranks, denn ohne kalte Getränke würde ich hier sicher keine drei Wochen überstehen, das war mir von vornherein klar.

Kirsten [Schreuder, Clubkamerad und „Kumpel vor Ort“] hatte in meiner Abwesenheit die Verschlauchung der Gasanlage ersetzt, einen schicken Gasflaschenhalter aus VA gebraten und einen neuen gebrauchten Herd/Ofen eingebaut. Nur getestet hatte er offenbar nicht. Der Kühlschrank, der sich als reiner Absorber rausstellte, war jedenfalls ums Verrecken nicht zur Arbeit zu bewegen. Dann halt nicht! Absorberkühlschränke mögen ihre Berechtigung in Wohnwagen haben, auf Booten sind sie mir auf jeden Fall suspekt. Ganz besonders dann, wenn sie nicht mal kühlen…

Nachdem ich dann den Vormittag einigermaßen erfolglos in RB rumgefahren war, um einen Kompressor-Kühlschrank zu erstehen, stolperte ich 150m vom Boot entfernt, beim Yachtausrüster hier auf dem ZYC-Gelände über eine Indel-B Kompressorkühlbox, die als Vorführmodell für lächerliche 3950,- ZAR (ca. 260,-€) angeboten wurde. Paar passende Kabel und Crimpverbinder dazugekauft, und zwei Stunden später konnte ich meine erste selbstgekühlte Cola genießen :-)

Apropos Temperaturen: Die wurden auch in den nächsten paar Tagen nicht nennenswert humaner. Am Wochenende war ich schon soweit mich zu freuen, daß um 11h „nur“ 32°C im Cockpit waren. Das ließ wenigstens ein ganz klein bischen Motivation für die eigentlich eingeplanten Basteleien zu, auch wenn ich mich die erste Woche wirklich zu fast garnix aufraffen konnte…

Die Tagestemperatur der ersten paar Tage

Die übliche Nachmittagstemperatur der ersten paar Tage. Echt toll, wenn man bei 4° abgeflogen ist :-)

ungeplanter Nebeneffekt: aufgrund der temperaturinduzierten Zwangs-Inaktivität sah ich mich genötigt, meine Spontanaufstockung der Bordbibliothek (Frank Schätzing: „Breaking News“) schon am ersten Wochenende abzuarbeiten, während ich fast nackt auf jeden Windhauch lauernd unter dem Biminitop hockte, literweise Wasser, Eistee und Fruchtschorle wegzog und sofort wieder ausschwitzte. Ich glaube, ich hab noch nie soviel beim Lesen geschwitzt wie diese Woche hier :-)

 

Back again

Richards Bay, 05.12.2015

Nachdem die Monate offenbar irgendwie immer schneller vergehen, war es plötzlich schon wieder Anfang Dezember und so packte ich etwa 85Kg Werkzeug und Material in zwei Koffer, zwei „Handgepäckstücke“ (thanks, BA)  und ein vorab verschicktes Paket und stieg am 2.12. in Hannover in einen BA-Flieger, der mich via London und Jo’burg nach Durban brachte, wo ich knapp 24h nach Abfahrt meinen Mietwagen in Empfang nahm und nach Richards Bay jökelte. Auffällig an der Fahrt war, daß im Gegensatz zum Juni diesmal alles leidlich grün statt braun war. Die vorherrschende Dürreperiode schien ein vorläufiges Ende gefunden zu haben, obwohl inzwischen Sommer war und die Temperaturen deutlich höher als im Juli.

Thelxinoe stand erwartungsgemäß unverändert an Land, alles war noch so, wie ich es verlassen hatte, abgesehen von den beiden Scheiben im Biminitop, die es offenbar in den vergangenen Monaten herausgeweht hatte. Eine davon fand ich zerbröselt unter dem Boot wieder, die andere blieb verschollen. Die standen zwar noch gar nicht auf der todo-Liste, aber was soll’s…

Weitere Verluste dieser Reise: Der im Koffer befindliche Windgenerator hat seine Finne eingebüßt. Ich hatte vor dem Abflug den Generator, den Werkzeugkoffer mit der Oberfräse und die neue Deckenlampe plus diversen Kleinkram so gepackt, daß alles gut verkeilt war und nicht verrutschen konnte. Daß eine der vier Transportrollen des Koffers abgebrochen und verschwunden war, hatte ich bereits am Flughafen in Durban  festgestellt, war aber nun nicht zu ändern. (Einer der Koffer sollte eh nicht wieder zurück, nun ist es halt dieser geworden).

Beim Auspacken an Bord fand ich dann allerdings im Koffer ein Formblatt der Bundespolizei, die das Ding bereits in Hannover geöffnet und untersucht hatte. Die Aussage darauf „wir haben nur aufgemacht und geguckt, aber nix rausgenommen oder beschädigt“, war jedoch eine glatte Lüge. Intelligenterweise hatten die Pappnasen die Lampe nach unten gewürgt (was eigentlich gar nicht gewaltfrei gepaßt hätte, da ich die Lampe in der Tat nach den maximal-Maßen des Koffers gebaut hatte), dabei eine Ecke abgebrochen und das Ding soweit in sich verwunden, daß einige der eingeklebten LEDs sich gelöst hatten, und dann Windgenerator und Oberfräsenkoffer lose obendrauf gelegt, so daß der Fräsenkoffer mit seinen fast 8 Kg fröhlich rumrutschen und alles kaputthauen konnte. Blödiane! :-(

Außerdem vermisse ich die Dose mit all meinen Klebstoffen, wobei ich nicht ganz ausschließen will, daß die evtl. mit im Paket gelandet war, das hoffentlich bald eintrudelt.